Eine heftige Windböe peitschte über den Domshof und ein Küchenzelt am Rande der 1. Mai-Kundgebung war erst einmal abgedeckt. Doch nicht nur Wind und Regen musste der Bremer DGB (Deutsche Gewerkschaftsbund) als Veranstalter der traditionellen Demonstration zum Tag der Arbeit in diesem Jahr trotzen, sondern auch einer kleinen, aber lautstarken Gruppe von rund 30 Leuten – bei insgesamt rund 3000 Teilnehmern.
Eigentlich haben die 30 sich laut ihrem roten Banner dem Wiederaufbau der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) verschrieben. Aber an diesem Feiertag wollen sie vor allem die Ansprache von Hauptredner Dietmar Schilff stören. Mit Trillerpfeifen, Schalmeien und Vuvuzelas begleiten sie durchgehend die Rede des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
„Keine Polizei am 1. Mai“ halten sie dazu auf Plakaten in die Höhe und ein großes Spruchband bemüht die bekannte linksextreme Parole von den Polizisten als Mörder und Faschisten. „Wer so etwas hochhält, hat nicht alle Latten am Zaun“, kommentiert das Schilff vom Rednerpult aus.
Zwischenzeitlich kommt es auch zu einem kurzen Gerangel zwischen den Störern und anderen Besuchern, die Schilffs Rede hören möchten. „Das wird noch Gespräche geben“, kündigt die Bremer DGB-Vorsitzende Anette Düring im Anschluss auf Anfrage an. Denn nicht wenige der Pfeifer sind zugleich auch in einer der acht Einzel-Gewerkschaften des DGB aktiv. „Die spalten hier ihre eigene Demonstration“, kommentiert ein weiterer Gewerkschafter.
Düring hatte zum Auftakt als erste Rednerin noch ungestört die aktuell erreichten Tarifabschlüsse der IG Metall und von Verdi loben können. Aus ihrer Sicht ein durch die Gewerkschaften und ihre Warnstreiks erkämpftes Ergebnis, von dem nun alle Arbeitnehmer profitierten. Zugleich beklagte sie den Arbeitsplatzabbau bei vielen Lebensmittelherstellern der Region.
"Vielfalt, Solidarität, Gerechtigkeit"
Es gebe eine lange Liste der betroffenen Betriebe von Hachez über Mondelez bis Kelloggs, sodass in den zurückliegenden Jahren hier fast 3000 Stellen verschwunden seien. „Wenn wir nicht aufpassen, verliert Bremen und die Region eine ganze Branche“, sagte Düring vor einem Plakat der Gewerkschaft Nahrung Genussmittel Gaststätten (NGG).
„Konzerne bluten Bremen aus“ stand darauf. Dazu eine lange Auflistung der Firmen, in denen Arbeitsplätze abgebaut wurden. Düring verlangte Gespräche mit Politik und Arbeitgebern über diese aus ihrer Sicht bedenkliche Entwicklung. Das Motto des DGB zum ersten Mai „Vielfalt, Solidarität, Gerechtigkeit“ nutzte anschließend Schilff, um unter anderem Stellung gegen die Politik der AfD zu beziehen.
Er bezeichnet die Partei als „populistische Organisation gegen diese Werte“. Das geplante Polizeiaufgabengesetz in Bayern, das es den Ordnungshütern beispielsweise gestatten soll, präventiv Briefe zu durchsuchen oder E-Mails, Telefone und Handys zu überwachen, ohne dass konkrete Hinweise auf schwere Straftaten vorliegen, sieht die GdP nach seinen Worten ebenfalls kritisch.
Auch politische Ideen, Asylbewerber in Sammel- und Abschiebelagern unterzubringen, bewertete Schilff als nicht verfassungskonform. „Viel zu oft müssen wir als Polizei auf der Straße ausbaden, was politisch und rechtlich umstritten ist, aber von den Regierenden unbedingt durchgesetzt werden soll“, sagte der Polizeigewerkschafter.
Wichtiger als auf einzelne kriminelle oder terroristische Vorfälle mit Forderungen nach neuen oder verschärften Gesetzen zu reagieren, sei es, in Bildung, funktionierende Infrastrukturen und bezahlbaren Wohnraum zu investieren. „Wenn fast vier Millionen Menschen mit einer Vollzeitstelle kaum mehr als 2000 Euro brutto verdienen, dann ist es die eigentliche Aufgabe der Politik, diesen Zustand zu beenden“, meinte Schilff.
Kampagne zur Ausstattung der Berufsschulen
Die Parlamente sollten viel mutiger werden und beispielsweise eine gesetzliche Tarifbindung in vielen Branchen beschließen. „Die Schonzeit für die Arbeitgeber muss beendet werden.“ Ronja Senger von der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Airbus berichtete danach von einer Kampagne der Gewerkschaftsjugend zur Ausstattung der Berufsschulen.

Bremens Bürgermeister Carsten Sieling mischte sich unter die Zuschauer.
„An Drehmaschinen aus den 80er Jahren kann einfach keine qualifizierte Ausbildung für die digitale Arbeitswelt im 21. Jahrhundert stattfinden.“ Der Abschluss der Kundgebung war Manuel Freire-Stelljes vorbehalten. Der Betriebsratsvorsitzende des Bremer Instandsetzungswerks der Bahn in Sebaldsbrück berichtete vom aktuellen Stand des Kampfes seiner Belegschaft gegen die von der Bahn angekündigte Schließung der Lokhalle. Es drohe der Wegfall von 120 Arbeitsplätzen sowie wichtigem Know-how für den Fortbestand des Werkes. Freire-Stelljes forderte eine neue Strategie der Bahn mit weniger Aufträgen an Dritte.