Sebastian Stemminger: Wie sieht ein typischer Tag im Kundenzentrum des WESER-KURIER aus?
Nicole Buljevic: Einen typischen Tag gibt es definitiv nicht. Das liegt unter anderem an den vielen Bereichen, die wir bedienen. Da gibt es neben den diversen Verkaufsartikeln noch den Ticketshop, den Abonnentenservice und die digitalen Produkte. An einem Tag ist es ruhig, und am nächsten Tag stehen die Kunden bereits eine Viertelstunde vor der Öffnung vor der Tür Schlange. Bei Heimspielen des SV Werder Bremen ist es besonders extrem – beim Ticketverkauf und bei den Fanartikeln ist dann ordentlich was los. Das sind Tage, an denen wir sehr gefordert sind. Das ist bei Ihnen doch sicher ähnlich?
Stemminger: Das ist tatsächlich bei uns nicht anders. Zwar gibt es bei uns weniger unterschiedliche Produkte, aber die Tage gestalten sich stets verschieden. Insbesondere zum Monatswechsel gibt es immer wieder einen großen Andrang, wenn die Kunden neue Tickets kaufen.
Stemminger: Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?
Buljevic: Im Prinzip sind wir eine Kommunikationszentrale. Es gibt neun Geschäftsstellen mit dem Haupthaus in der Martinistraße und acht regionalen Zeitungshäusern. Wir erleben viele tolle und spannende Sachen. Unter anderem melden sich die Gesprächspartner der Redakteure bei uns an und möchten ins Pressehaus. Da waren einige Prominente dabei, bei denen man gern ein Autogramm gehabt hätte. Aber wir bleiben selbstverständlich professionell.
Stemminger: Gibt es denn besonders schöne oder auch kuriose Momente, die Sie motivieren?
Buljevic: Wir haben viele treue Abonnenten, die regelmäßig vorbeikommen, um Reisen oder Eintrittskarten zu kaufen. Im Nachhinein berichten sie von ihren Erlebnissen oder schicken uns Urlaubskarten. Dann gibt es die Leserbriefschreiber oder Personen mit Vorschlägen für Zeitungsberichte. Da liegt schon mal eine Unkrautpflanze auf dem Tisch, über die berichtet werden soll. Sehr schön sind die Begegnungen mit Menschen, die Bekanntschaftsanzeigen aufgeben. Nach einigen Tagen kommen sie wieder, um ihre Post abzuholen. Inzwischen wurde ich schon vier Mal zum Kaffee eingeladen, von Lesern, die einen Partner mithilfe des WESER-KURIER gefunden haben.

Stemminger: Ist der Kundenandrang in den vergangenen Jahren eher gestiegen oder zurückgegangen – auch mit Blick auf die Digitalisierung?
Buljevic: Ganz klar: gestiegen. Das liegt daran, dass wir unser Angebot gesteigert haben. Als ich angefangen habe, gab es einige Eigenprodukte wie Bücher. Inzwischen gibt es Hunderte Artikel, die wöchentlich wechseln. Wir haben den Werder-Fanshop und die digitale Welt hinzubekommen. Beides zieht auch jüngere Interessenten an. Für den Veranstalter Nordwest-Ticket sind wir zudem eine der größten Vorverkaufsstellen. Viele kommen auch, um Geschenke zu kaufen. Unsere Bremensien sind sehr beliebt – und von uns mit Bedacht ausgewählt sowie entsprechend hochwertig. Und wenn man dann noch erfährt, wo unsere Sachen hingehen: Da wird zum Beispiel ein Werder-Schal nach Amerika geschickt. Und dann gibt es diejenigen mit allgemeinen Fragen, beispielsweise zu unseren WK-Bikes. Wir sind aufgrund unserer zentralen Lage auch ein Anlaufpunkt für viele Touristen.
Stemminger: Wie würden Sie Ihre Kunden beschreiben?
Buljevic: Wir erleben alles, was Bremen zu bieten hat. Wichtig ist, dass alle beraten werden: Egal wo man herkommt oder wer man ist. Der Kunde soll am Ende mit einem Lächeln das Pressehaus verlassen. Wir versuchen immer, eine Lösung zu finden, und telefonieren uns mitunter durch das Haus.
Stemminger: Wie wird denn mit kritischen, vielleicht auch schwierigen Kunden umgegangen?
Buljevic: Es gibt einen roten Faden, an den wir uns halten. Aber die Erfahrung zeigt, dass eine individuelle Beratung am besten funktioniert. Wir schauen, wie sich der Gesprächspartner verhält. Das trainieren wir bewusst. Schließlich ist Kunde A nicht wie Kunde B.
Es gibt auch Personen, die einen Lieblingsmitarbeiter haben und Wartezeiten in Kauf nehmen, um von diesem bedient zu werden. Es ist schön, dass es somit sehr persönliche Verbindungen gibt und wir keine große anonyme Schalterhalle sind. Und bei Ihnen?

Stemminger: Fern der Ticketverkäufe verlangen einige Kunden bei uns ebenfalls einen bestimmten Mitarbeiter, um bestimmte Dinge zu klären. Wir freuen uns stets, wenn Kunden auch ein Lob schicken, und geben das gern an die entsprechenden Mitarbeitenden weiter. Aber auch berechtigte Kritik wird ernst genommen.
Buljevic: Es kommen manchmal wirklich tolle Anregungen von den Kunden. Wir haben bereits einige Sachen, auf denen wir aufbauen konnten.
Stemminger: Wie ist das Kundenzentrum im Pressehaus mit Corona umgegangen?
Buljevic: Ich habe mich selten so sicher gefühlt. Natürlich gab es anfangs große Unsicherheit. Es wusste schließlich niemand, was genau passiert. Während des Lockdowns waren wir stets telefonisch erreichbar und haben den Service sogar ausgebaut. So konnten wir den Verkauf und Fragen rund um die Abonnements weiterführen. Wir haben erst eine Woche nach der offiziellen Freigabe unsere Kundenzentren wieder geöffnet, um die Hygienevorschriften umzusetzen. Wie war das bei der BSAG?
Stemminger: Wir haben unseren Kunden auch zu jeder Zeit so gut wie möglich zur Verfügung gestanden und dabei auf den verstärkten Telefonservice gesetzt – auch wenn unsere Center nicht geschlossen hatten. Eine Herausforderung waren die Anfragen zu unserem Sonderfahrplan. Schließlich waren nicht alle im Homeoffice wie Mitarbeitende von Supermärkten und Logistikunternehmen, medizinisches Personal oder auch Reinigungskräfte.
Stemminger: Wie schalten Sie abends ab?
Buljevic: Da findet jeder Kollege seinen Weg. Ich sitze gern auf dem Balkon, schaue auf die Weser und versinke in einem Hörbuch. Auf jeden Fall suche ich die Ruhe. Es gibt nämlich manchmal Tage, da kommen viele Traueranzeigen. Solche Geschichten gehen nicht spurlos an einem vorüber.
Stemminger: Meine Erholung besteht aktuell aus der gemeinsamen Zeit mit meinem kleinen Sohn im Garten. Das ist dann immer das Highlight des Tages.
Das Gespräch zeichnete Anika Seebacher auf.
Sebastian Stemminger
arbeitet seit 16 Jahren bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Begonnen hat seine Karriere dort als Fachkraft im Fahrbetrieb. Nach einer Fortbildung zum Verkehrsfachwirt Personenverkehr sowie einer internen Ausbildung zur Führungskraft wurde der heute 34-Jährige 2013 Leiter der Kundencenter. Seit dem vergangenen Jahr fällt auch das Fundbüro der BSAG in seinen Zuständigkeitsbereich.
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Dieser Artikel ist Teil der Sonderveröffentlichung zum 75. Geburtstag des WESER-KURIER. Am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe unserer Zeitung. Anlässlich des Jubiläums blicken wir zurück auf die vergangenen Jahrzehnte: Erinnern uns an die Anfänge unserer Zeitung und auch an die ein oder andere Panne. Und wir schauen nach vorn: Wie werden Künstliche Intelligenz und der Einsatz von Algorithmen den Journalismus verändern? Natürlich denken wir auch an Sie, unsere Leser und Nutzer. Wer folgt unseren Social-Media-Kanälen, wer liest unsere Zeitung? Was ist aus den Menschen geworden, über die wir in den vergangenen Jahren berichtet haben? Und wie läuft er eigentlich ab, so ein Tag beim WESER-KURIER?
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