Weltaidstag in Bremen Aids ist nicht mehr schlimmer als Rheuma

Obwohl HIV längst eine seltene und gut behandelbare Krankheit geworden ist, gibt es noch viele irrationale Ängste. Diese führen für Betroffene zum Teil zu Diskriminierung, sagen Berater der Bremer Aidshilfe.
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Aids ist nicht mehr schlimmer als Rheuma
Von Sara Sundermann

Weltaidstag, ist das noch ein Thema? Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts leben bundesweit etwa 88.000 Menschen mit HIV, 1500 davon in Bremen. Männer sind etwa fünfmal häufiger infiziert als Frauen. Die große Mehrheit der Menschen mit HIV wird behandelt, aber etwa jeder zehnte betroffene Bremer weiß nichts von seiner Infektion und könnte deshalb auch andere anstecken.

Die Aidshilfe am Sielwall mitten im Viertel kümmert sich seit vielen Jahren um Erkrankte und um diejenigen, die sich Sorgen machen, sie könnten sich infiziert haben. Hier kann man sich beraten lassen und Schnelltests für 25 Euro machen oder einen Test kaufen, den man zu Hause selbst durchführt. Solche Heimtests werden inzwischen auch in Apotheken und Drogerien verkauft.

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HIV sei längst zu einer seltenen und zudem gut behandelbaren Krankheit geworden, betont Mario Stara von der Bremer Aidshilfe. „Es ist notwendig, einen Schnitt zu machen zu den 80er- und 90er- Jahren“, findet er. „Wir haben heute kaum noch mit HIV-Erkrankten zu tun, deren Immunsystem plötzlich zusammenbricht.“ Sein Anliegen zum Weltaidstag: „Wir wollen die Panik aus dem Thema rausnehmen, denn Aids ist längst keine tödliche Krankheit mehr, sondern heute einfacher zu behandeln als Rheuma oder Diabetes.“

Ob am Arbeitsplatz, in der Freizeit oder in der Partnerschaft: HIV muss kein Hindernis mehr darstellen, das ist auch die Botschaft der Deutschen Aidshilfe (DAH) zum bundesweiten Aktionstag. Medikamente verhindern die Vermehrung von HIV im Körper. Hinzu kommt: HIV ist unter Therapie nicht übertragbar. „Wir wollen das Wissen verdoppeln, bis alle Bescheid wissen. Diese erleichternde Botschaft sollte heute zur Allgemeinbildung gehören“, betont DAH-Vorstand Ulf Kristal. „Wir machen deutlich, dass man mit HIV-positiven Menschen in jeder Hinsicht entspannt zusammenleben kann.“

HIV-Erkrankte, die in Behandlung sind, sind nicht mehr ansteckend

Doch immer noch gebe es viele Wissenslücken zum Thema HIV, sagt auch Mario Stara in Bremen: „Dass HIV nicht beim Küssen übertragen werden kann, das wissen inzwischen viele, aber es hat sich noch nicht so weit herumgesprochen, dass HIV-Erkrankte, die in Behandlung sind, nicht mehr ansteckend sind.“ Im Schnitt kämen etwa 20 Menschen pro Woche in die Beratungsstelle, um einen Schnelltest zu machen. Die allermeisten seien „Angstpatienten“, formuliert Stara: Menschen, die gar kein Risiko hätten, an HIV erkrankt zu sein, sich aber dennoch Sorgen machen. Das seien zum Beispiel junge Leute, die Sex mit Kondom oder gar keinen Sex mit einer vielleicht HIV-positiven Person gehabt hätten, aber dennoch befürchteten, sich infiziert zu haben.

„Wir haben noch viel mit der Angst vor Aids zu tun, erstaunlicherweise auch bei ganz jungen Menschen, die zu einer Zeit geboren sind, als Aids schon gut behandelbar war.“ Die Angst werde offenbar weiter vererbt, sagt Stara – vermutlich von Eltern oder Lehrern, die nicht auf dem aktuellen Wissensstand seien. Aufklärung und Beruhigung gehören heute zu den Hauptaufgaben der Bremer Aidshilfe.

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Für HIV-Erkrankte aber könnten irrationale Ängste zu ganz konkreter Diskriminierung führen. So hätten immer wieder HIV-Erkrankte Probleme, ganz normal einen Zahnarzttermin zu bekommen. Das kommt nach Angaben der Aidshilfe auch in Bremen vor: „Wir hören öfter, dass HIV-Patienten beim Zahnarzt als letzte drankommen, weil der Arzt davon ausgeht, danach müsse alles besonders gründlich gereinigt werden“, berichtet Stara. „Das ist absurd, denn der Aids-Erreger stirbt sofort an der Luft ab, und ich hoffe doch, dass sowieso nach jedem Patienten gleich gut sauber gemacht wird.“

Gesteigerte Testbereitschaft und Ausweitung der Testangebote

Im vorigen Jahr haben sich laut Robert Koch-Institut weniger Menschen in Deutschland mit HIV angesteckt: Nach einer Schätzung liege die Zahl der Neuinfektionen bundesweit bei 2400, das seien hundert Fälle weniger als 2017, teilte das RKI mit. Der Trend kommt nach Institutsangaben aus der wichtigsten Betroffenengruppe: Bei homo- und bisexuellen Männern sei die Zahl der geschätzten HIV-Neuinfektionen seit 2012 um gut ein Viertel zurückgegangen. Wahrscheinlich liege dies in erster Linie an gesteigerter Testbereitschaft und einer Ausweitung der Testangebote. Auch die Empfehlung, sofort mit einer Behandlung zu beginnen, habe offenbar zu dem Erfolg beigetragen.

Zum Weltaidstag in Bremen hat die Aidshilfe lokale Künstlerinnen und Künstler gebeten, ihnen ein Bild zu spenden. Die Bilder werden in einer Ausstellung gezeigt, die an diesem Sonntag um 18 Uhr im Kukoon in der Neustadt eröffnet wird. Wird ein Bild verkauft, so fließt der Erlös in den Krisenfonds der Aidshilfe, um mittellose HIV-Infizierte im Alltag zu unterstützen. Das Team des Rat-und Tat-Zentrums für queeres Leben will an diesem Sonntag auf dem Weihnachtsmarkt und an der Schlachte unterwegs sein, um über HIV zu informieren, rote Schleifen zu verteilen und Aids-Teddys zu verkaufen.

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