"...Ich habe mir nicht ausgesucht, aufzuwachsen in dieser Zeit, die mich mit großen Bildschirmen und Bluetooth Kopfhörern empfangen hat, mit schnellen Autos, WLAN und Social Media. Ich habe mir nicht ausgesucht, in diesem flimmernden Online-Alltag zwischen Youtube, TikTok und Netflix mit Problemen konfrontiert zu werden, auf die keiner eine Lösung findet.
Hitzerekorde, Sturmfluten und steigende Ölpreise. Wo führt das hin?
Oft wünsche ich mir sogar, schon früher geboren worden zu sein: Wenn du mir von der Zeit der Kabeltelefonie erzählst, den Reiseführern und den Kassetten. Oder von der Kreide, mit der du „Himmel und Hölle“ auf die Straße gemalt hast – immer wieder in die bunten Kästchen gesprungen bist. Nur mit Kalk auf dem Asphalt ein Spiel kreiert hast, draußen an der frischen Luft. Es ist eine friedliche Zeit, von der mir erzählst. Irgendwie ein bisschen echter, ein bisschen nahbarer, ein bisschen persönlicher. Eine Welt der Dreidimensionalität und der direkten Kommunikation. Eine Welt der schweren Foto-Apparate und der Stofftaschentücher, in der das Radio rauscht, die Kaffeekanne pfeift und die Morgenzeitung knistert.
Vielleicht war früher wirklich alles besser?
Stattdessen stecke ich in dieser schnellen Achterbahn aus Digitalisierung und Globalisierung. In dieser Zeit, in der ein Virus uns zu OP-Masken und Abstand zwingt, in der plötzlich wieder Krieg in Europa herrscht und in der die Sommer immer heißer werden. In einer Zeit, in der weiße Weihnachten nur noch mit Watte und Kunstschnee funktioniert, die Verkehrsinseln braun sind und die Flüsse auch. In einer Zeit, in der Waldbrände und Jahrhunderthochwasser entstehen, hier bei uns - mitten in Deutschland.
Oma, ich habe Angst, wenn ich die UN-Prognose lese. Ein weltweiter Temperaturanstieg, neue Höchstwerte seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – und all das soll schon in den nächsten fünf Jahren passieren? Diese Krise spitzt sich zu, und das so schnell, dass es unwirklich scheint. Doch die Fakten sind schrecklich real: Desaster in Folge von Extremwetterereignissen haben sich seit deiner Kindheit verfünffacht, Oma. Sie sind wegen der steigenden Temperatur häufiger und wahrscheinlicher, die Wetterextreme zerstören Heimat und Lebensgrundlage, verursachen Schäden in Höhe von 200 Millionen Dollar – pro Tag. Wie soll ich jemals genug Geld verdienen, um all das zu kompensieren?

Ich habe Angst vor der Welt, in der wir uns befinden – noch mehr aber habe ich Angst vor der Welt, die uns bevorsteht. Ich habe Angst vor unserer Zukunft.
Ich habe Angst, vor der Welt, in die meine Kinder und Enkelkinder geboren werden.
Was wird das für eine Welt sein? Lange dachte ich, wir müssen dabei bei uns selbst anfangen. Unseren persönlichen CO2-Abdruck minimieren: Weniger Fleisch essen, weniger Shoppen gehen und weniger Auto fahren.
Doch das eigentliche Problem ist…
…die Politik: Sie reguliert den CO2-Mammutanteil von über 80 %. Die Klimapolitik muss sich ändern, weniger reden, weniger zusehen – mehr machen. Die Forscher sagen, sie steuert geradewegs in die falsche Richtung. Dass die deutsche Klimapolitik das Ruder herumreißen muss, den Kurs ändern muss – weg von Hitzerekorden, Sturmfluten und Jahrhundertkatastrophen. Dass in dieser neuen schnellen Welt, in die ich hineingeboren wurde, neue Lösungen gefunden werden müssen. Ein neuer Weg gedacht werden muss – und umgedreht, bevor es zu spät ist. Bevor wir in den Katastrophen und Schäden den Überblick verlieren.
In einem Chaos, das keinen Platz mehr hat für Kinder und Enkelkinder.
Oma, wir haben in Bremen und Bremerhaven einen steigenden Meeresspiegel, der die Deiche bedroht, eine Dürre, die die Ernte zunichtemacht und Temperaturrekorde, die meine – vor allem aber deine – Gesundheit bedrohen. Ich mache mir Sorgen, dass wir mit jedem Tag, den wir abwarten und weiterzusehen, Zeit verlieren. Die Fünf-Jahres-Prognose der UN-Klimaforschung zeigt, wie schnell wir mit neuen Hitzerekorde und Milliardenschäden rechnen müssen – und wie mit jedem weiteren Jahr die Wahrscheinlichkeit für neue Katastrophen wächst.

Deutschland heizt sich auf. Die Marke von 2°C hat Deutschland heute schon erreicht, ein trauriger Rekord.
Denn: die Welt, vor der ich Angst habe, ist die Welt des Nichtstuns.
Die Welt, die so weitermacht wie bisher. Ich habe mir nicht ausgesucht, in diese Zeit hineingeboren worden zu sein, die so viel schneller und bedrohlicher scheint als die deiner Kindheit. Doch in einem Alltag inmitten von Ukraine-Krieg, der Corona-Pandemie und begrenzten Ressourcen stehe ich nun und bitte dich um deine Hilfe – um ein Geschenk.
Liebe Oma, ich bitte dich um deine Stimme.
In einer Zeit, in der Spiele nicht mehr aus bunter Straßenkreide bestehen, in der Telefone keine Kabel mehr haben, in der Flüsse braun sind und kein Schnee mehr an Weihnachten fällt, wünsche ich mir eine Zukunft mit weniger Sorgen.
Ich wünsche mir, dass du am 14.05.2023 dein Kreuz für das Klima setzt.
Lass uns zusammen für weniger Waldbrände und weniger Sturmfluten stimmen. Für eine Zukunft ohne steigende Meeresspiegel, ohne Dürre – ohne Katastrophen und Angst. Lass uns zusammen für ein Morgen wählen, das an ein Übermorgen denken lässt.
Für eine Zukunft, die an Enkelkinder denken lässt."