Wer an einer Bremer Hochschule studiert, soll nicht mehr zur Anwesenheit bei Lehrveranstaltungen verpflichtet werden können – normalerweise. Das ist eine der Änderungen, die das Vierte Hochschulreformgesetz mit sich bringt. Die Bürgerschaft hat es in der zurückliegenden Woche unter Dach und Fach gebracht, allerdings nicht ohne heftiges Gezerre hinter den Kulissen.
Unterschiedliche Auffassungen gab es vor allem innerhalb der SPD. Auf Initiative der Jusos hatte deren Landesparteitag im März einige Forderungen zum Hochschulgesetz formuliert, unter anderem das grundsätzliche Verbot einer Anwesenheitspflicht. In der SPD-Bürgerschaftsfraktion waren davon nicht alle gleichermaßen begeistert. „Wir sollten nicht das Signal aussenden, dass man sich hier vom Leistungsgedanken verabschiedet“, so ein Kritiker hinter vorgehaltener Hand.
Heraus kam letztlich ein klassischer Formelkompromiss. Im Hochschulreformgesetz steht nun wörtlich: „Eine verpflichtende Teilnahme der Studierenden an Lehrveranstaltungen darf als Teilnahmevoraussetzung für Prüfungsleistungen nicht geregelt werden, es sei denn, bei der Lehrveranstaltung handelt es sich insbesondere um eine Laborveranstaltung, eine Exkursion, einen Sprachkurs, ein Praktikum oder eine Sicherheitseinweisung.“
Präsenz der Studenten sei wünschenswert
Das Wörtchen „insbesondere“ – erst wenige Stunden vor der Abstimmung in den Gesetzestext eingefügt – öffnet den Hochschulleitungen ein Hintertürchen. Sie könnten im Bedarfsfall nun doch Verpflichtungen über die genannten Beispiele hinaus aussprechen.
Für die CDU war die Anwesenheitsregelung letztlich „nicht regelungswürdig“, wie ihre Wissenschaftspolitikerin Susanne Grobien im Gespräch mit dem WESER-KURIER sagte. Zwar halte auch sie die Präsenz der Studenten in den Lehrveranstaltungen für wünschenswert, doch das müsse nicht unbedingt im Hochschulgesetz fixiert werden. Die Qualitätskriterien vieler Studiengänge ließen ein häufiges Fernbleiben gar nicht zu.
Letztlich stimmte aber auch die CDU dem Gesamtpaket zu, das eine Reihe weiterer Neuerungen im akademischen Bereich auf den Weg bringt. Für den Mittelbau des wissenschaftlichen Personals bewirkt das Hochschulreformgesetz einige Verbesserungen. So steht dieser Mitarbeitergruppe künftig mehr Zeit für ihre wissenschaftliche Fortbildung zur Verfügung. Auch wird die Karriere planbarer, denn künftig soll frühzeitig vor dem Auslaufen von Verträgen über eine mögliche Verlängerung entschieden werden.
"Karrierewege besser planbar machen"
Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Henrike Müller, erkennt in der Gesetzesnovelle große Fortschritte: „Wir haben nun die gesetzliche Grundlage für gute Beschäftigungsbedingungen an den Bremer Hochschulen geschaffen. Die Zeiten der ‚kreativen’ Beschäftigungsformen mit Viertel-Stellen und Halbjahresverträgen müssen jetzt der Vergangenheit angehören", ist Müller überzeugt.
Ganz ähnlich sieht es Gerd-Rüdiger Kück, Staatsrat für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz: "Mit der Hochschulreform wollen wir die Karrierewege der Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler an den Hochschulen besser planbar machen und transparenter gestalten sowie gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigen schaffen."
Mittel zum Zweck sind dabei auch sogenannte „Tenure tracks“. Der Begriff steht für die Chance, nach einer befristeten Bewährungszeit eine Lebenszeitprofessur zu erhalten. Von der Einführung dieser Regelung im Hochschulreformgesetz verspricht sich der Landesgesetzgeber eine stärkere Annäherung an internationale akademische Standards und damit mehr Wettbewerbsfähigkeit der Bremer Hochschulen.