Särge, die sich in Zelten und Andachtsräumen stapeln, und Kühlcontainer vor den Krematorien: Nicht nur aus Sachsen kommen derzeit bedrückende Bilder und Nachrichten – ähnliche Schilderungen gibt es auch aus Nordrhein-Westfalen und Bayern. Hier im Nordwesten hingegen hat die Corona-Pandemie das Bestattungswesen noch nicht überfordert. Im Gegenteil: Das Krematorium Diepholz äschert sogar Tote ein, die im 500 Kilometer entfernten Dresden verstorben sind. Und in Bremen läuft die Zusammenarbeit der Bestatter mit den Behörden offenbar so gut wie selten.
„Es gibt keine längeren Wartezeiten im Krematorium und folglich auch keine Verschiebungen von Bestattungsterminen“, sagt Christian Stubbe, Vorsitzender des Bestatterverbandes Bremen. Die Corona-Pandemie habe bislang keine Auswirkungen: „Bei etwas mehr als 200 Todesfällen in der Stadtgemeinde seit vorigen März ist das aber auch nicht erstaunlich.“ Zum Vergleich: 2020 sind in Bremen insgesamt 4301 Tote bestattet worden, im Jahr davor waren es 4092.
Fast 85 Prozent der Verstorbenen werden in Bremen laut Stubbe eingeäschert. Der Anteil der Feuerbestattungen sei traditionell hoch, durch Corona habe es da keine Veränderung gegeben. Bei Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, achtet Stubbe darauf, dass sie zügig ins Krematorium gebracht und dort nach telefonischer Terminabsprache auch sofort verbrannt werden. „Corona-Tote kommen so gar nicht erst in die Kühlräume.“
Das klappt allerdings nur, wenn die Behörden auch mitspielen. Ohne Sterbeurkunde und Freigabe zur Einäscherung geht nichts. Vom Standesamt Bochum etwa heißt es, dass es zwischen den Feiertagen nur an einem einzigen Tag für zwei Stunden geöffnet hatte – und so Bestatter wie Krematorium in Schwierigkeiten brachte. Anders in Bremen. „Unser Standesamt macht einen guten Job und beurkundet zügig“, lobt Stubbe.
Bisher keine Probleme
Folglich geht es bislang auch in den Krematorien in Bremen (Huckelriede) und Bremerhaven (Spadener Höhe) ganz entspannt zu: keine Verzögerungen und Wartezeiten, keine Zusatzschichten, keine zusätzlichen Kühlkapazitäten. „Momentan ist diese Notwendigkeit in keiner Weise gegeben und aufgrund der vorhandenen Kapazitäten auch nicht absehbar“, betont Kerstin Doty, Sprecherin des Umweltbetrieb Bremen (UBB). Der UBB ist auch für die stadtbremischen Friedhöfe zuständig. In Bremerhaven macht dies das Gartenbauamt. „Wenn wir an die Kapazitätsgrenze kommen sollten, werden die Kapazitäten im Land Bremen ausgeschöpft“, erklärt Abteilungsleiter Kester Kirchwehm.
Der Zwei-Städte-Staat wäre also auch bei einem rapiden Anstieg der Sterbefälle erst einmal nicht darauf angewiesen, bei den Krematorien in Verden, Oldenburg, Cuxhaven oder Diepholz anzuklopfen. In den beiden Bremer Krematorien könnte man eine dritte Schicht einführen und bei voller Auslastung täglich doppelt so viele Leichen wie zur Zeit einäschern. Die Kühlkapazitäten in Krankenhäusern, Bestattungsinstituten und an den Friedhöfen reichen nach Behördenangaben aktuell für 350 Leichen, und weitere Kühlcontainer werden in Reserve gehalten.
Vorrang hat aus Sicht der Bestatter jetzt aber erst einmal der Eigenschutz. „Unsere Mitarbeitenden und Inhaber, die täglich in Krankenhäusern, Pflegeheimen und in unseren Instituten mit Verstorbenen in Berührung kommen, sollen frühzeitig geimpft werden“, erklärt Stubbe. Entsprechende Listen für alle 20 Mitgliedsinstitute des Bremer Verbandes stelle er gerade auf, da kämen einige hundert Namen zusammen. „Der Bremer Senat hat uns schon im Frühjahr als systemrelevant eingestuft“, sagt der Vorsitzende. So habe man Schutzausrüstung, Masken, Desinfektionsmittel über den Krisenstab beziehen können.
Die Zusammenarbeit mit den Behörden laufe in Bremen wirklich gut, betont Stubbe mehrfach. Umgekehrt sei wohl genau dies andernorts das Problem: Im sächsischen Meißen, wo sich die Särge dramatisch stapeln, wolle die Stadt das offenbar alles alleine bewältigen. „Die haben die Bestatter einfach außen vor gelassen“, weiß er von einem Kollegen dort.
Die Situation in Sachsen stößt auch in der Region auf Unverständnis. „Die unwürdigen Bilder aus den kommunalen Krematorien in Meißen und Zwickau haben uns sehr schockiert“, sagt Willy Hilling, Vorstand des privat geführten Krematoriums Verden. „Bilder von kreuz und quer gestapelten Särgen werden Sie bei uns nicht finden. Vorsorglich haben wir zusätzliche Kühlkapazitäten geschaffen, um der zögerlichen Ausstellung der Sterbeurkunden durch die Standesämter gerecht zu werden.“ Kapazitätsengpässe gebe es in Verden noch nicht. Spätestens nach drei Tagen sei die Einäscherung vollzogen und die Urne fertig zur Abholung oder Überführung – „sofern die Dokumente vollständig sind“, wie Hilling betont.
„Eine Überlastung ist nicht zu befürchten“, heißt es auch in Oldenburg. Dort sind seit dem vorigen März 33 Menschen an Covid-19 verstorben. Bei Bedarf könne man zudem die Kapazität des Krematoriums rasch um mehr als 100 Prozent steigern, sagt Stephan Onnen vom Pressebüro der Stadt. Und auch dann habe man immer noch Reserven: „Aufgrund der Vielzahl an Krematorien im Weser-Ems-Gebiet gibt es ausreichende Ausweichmöglichkeiten für die Bestattungshäuser.“