Der Täter ist gestern verurteilt worden, die Tat aber wirkt weiter nach. Seit dem Brandanschlag auf die Bürgerschaft im Oktober vergangenen Jahres wird an einem neuen Sicherheitskonzept für das Parlamentsgebäude gearbeitet. Die Experten wandeln dabei auf einem schmalen Grat: Zum einen soll die Bürgerschaft weiterhin offen sein, zum anderen aber genügend Schutz bekommen.
Brandanschlag auf die Bürgerschaft! Ein Alarm, wie es ihn in Bremen noch nicht gegeben hatte, als im vergangenen Oktober ein Großaufgebot an Polizei, Feuerwehr und Sprengstoffexperten zum Tatort ausrückte und dort für einen Ausnahmezustand sorgte. Eilends wurde der Marktplatz abgesperrt, weil nicht klar war, ob es nicht doch noch zu einer Explosion kommt. Letztlich ging aber alles glimpflich aus: Niemand wurde verletzt, und der Täter konnte überwältigt werden. Er musste sich gestern vor Gericht verantworten und wurde zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Es war zur Mittagszeit. Der Mann betrat ungehindert das Foyer der Bürgerschaft und hatte einen Trolley im Schlepptau. „Ich habe ihn begrüßt und gefragt, was er will“, sagte eine Mitarbeiterin der Bürgerschaftsverwaltung, die als Zeugin vernommen wurde. Aus den Augenwinkeln habe sie dann Flammen am Trolley entdeckt: „Der brennt ja! Raus damit!“
Dramatische Minuten
Dass es mit der Abwehr sehr schnell ging und das Feuer sich nicht ausbreiten konnte – reiner Zufall, wie die Gerichtsverhandlung ergab. Ein weiterer Zeuge, der Fahrer des Bürgerschaftspräsidenten, erzählte von den dramatischen Minuten: „Ich saß in der Pförtnerloge und habe zu Mittag gegessen.“ Normalerweise sitzt er dort nicht, die Frau wäre mit dem Täter alleine gewesen. So aber konnte ihr Kollege, ein Kampfsportler, wie er dem Gericht erklärte, sofort zur Hilfe eilen. Der Mann schlug den Täter zu Boden und hielt ihn fest. Andere Mitarbeiter, die hinzugekommen waren, zogen den Trolley nach draußen und löschten ihn.
Das Feuer war vom Täter mit Spiritus angefacht worden. Zusätzlich hatte er in dem Trolley fünf Liter Diesel gebunkert. Und er drohte mit einer Bombe, die es aber nicht gab. Wäre der Treibstoff in Brand geraten und ausgelaufen, hätte das zwar nicht zu einer Explosion geführt, wie ein Brandsachverständiger aussagte, möglicherweise aber zu einer Verpuffung mit starker Rauchentwicklung. Das Feuer hätte auf den Teppich im Foyer, auf die Regale oder die Pförtnerloge übergreifen können.
„Ich habe den Anschlag so organisiert, dass für niemanden eine Gefahr entstehen konnte“, sagte der Angeklagte. Er sei davon ausgegangen, dass das Wachpersonal früh genug eingreife. Mit der Bombendrohung habe er seiner Aktion mehr Gewicht verleihen wollen: „Die Flammen waren ja schnell gelöscht, ich wollte nicht, dass es lächerlich wird.“
Als Motiv für seine Tat gab er Ärger mit den Behörden an. „Es war eine Protestaktion“, sagte der 57-Jährige. Er habe es nicht mehr ausgehalten und sich mit dem Anschlag von Druck befreien wollen. Jahrelang sei er von dem Ämtern immer wieder betrogen worden. Sozialleistungen, die ihm zugestanden hätten, seien ihm unrechtmäßig vorenthalten worden. Einmal habe er 16 Tage lang ohne jedes Geld auskommen müssen. „Das wollte ich öffentlich machen.“
Zwei Psychologen, die als Gutachter den Täter untersucht hatten, attestierten ihm eine wahnhafte Störung. Einer der beiden sprach vom „Kohlhaas-Syndrom“. Der Mann sei ein notorischer Querulant. Der Angeklagte reagierte auf diese Aussagen äußerst gereizt. „Ich bin ein schräger Typ, aber deswegen weder gemüts- noch geisteskrank“, hielt er den Psychologen entgegen. Er erkenne sich selbst sehr gut, sei in Psychologie, Philosophie und anderen Wissenschaften bewandert. „Mit den Sachverständigen nehme ich es zehnmal auf.“
Nach Ansicht der Gutachter stellt der bislang nicht vorbestrafte Mann in Zukunft keine Gefahr dar. Er selbst hatte das immer wieder beteuert und das Gericht offenbar überzeugen können.
„Wir bleiben ein offenes Haus“
Bürgerschaftspräsident Weber will Sicherheit nicht übertreiben
„Das Haus der Bürgerschaft bleibt ein offenes Haus, so wollen es alle Fraktionen“, sagte Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) gestern als Reaktion auf die Gerichtsverhandlung gegen den Mann, der im Oktober einen Brandanschlag auf die Bürgerschaft verübt hatte. Nach dem Vorfall war über die Sicherheitsvorkehrungen im Parlamentsgebäude diskutiert worden. Und es gab sofort Konsequenzen. „Wir haben den Aufsichtsdienst verstärkt“, sagte Weber.
Bei dem Anschlag war es reiner Zufall, dass sich zwei Angestellte im Eingangsbereich der Bürgerschaft aufhielten. Darunter ein Mann, der in Kampfsport geübt ist. Normalerweise wäre die Pförtnerloge nur mit einer Person besetzt gewesen. Das hat sich nach dem Anschlag geändert. Nun sind es nach Angaben von Weber zwei Angestellte, die den Wachdienst übernehmen, darunter immer ein Mann. Die Finanzmittel dafür stünden allerdings nur bis Ende März zur Verfügung.
Neu sei darüber hinaus, dass es in der Bürgerschaft mittlerweile eine Ausweispflicht gebe. Und: Während der Sitzungswochen des Parlaments würden zusätzliche Polizisten eingesetzt.
„Wir nähern uns damit langsam dem Standard anderer Landtage an“, sagte der Präsident. Zurzeit werde dazu mithilfe von Experten ein Sicherheitskonzept erarbeitet. Wichtig bleibe aber die Offenheit des Hauses. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren erfolgreich bemüht, Schwellen abzubauen, und wollen sie jetzt nicht wieder hochziehen.“
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