Altstadt. „Ich habe bereits Blindenmodelle in Berlin, Hamburg und München gesehen und dachte, dass Bremen so etwas auch braucht“, sagt Thomas Hogrefe. Der Ingenieur und Inhaber einer Firma für Architekturmodellbau zeigt auf das von ihm entwickelte „Tastmodell“, das bis Sonnabend, 29. April, in der Ausstellung „City Vision – Bremen wird neu“ im Citylab, dem Lloydhof, steht: ein Relief des Schüttings, 60 mal 60 Zentimeter groß. Die Fassade ist dezent herausgearbeitet, sodass Sehbehinderte jedes Detail ertasten können.
Neun weitere Tastmodelle sollen folgen, wenn es nach Hogrefe geht: Das Rathaus, das Haus der Bürgerschaft, die Stadtwaage oder der Dom, um nur einige Bauten zu nennen. Die bronzenen Modelle sollen dann an den Fassaden der Häuser angebracht werden, darunter sollen in Brailleschrift historische Informationen stehen. „Daraus kann sich etwas Touristisches entwickeln. Das kann für Bremen ein großes Plus sein“, sagt Thomas Hogrefe, der seit mehr als 20 Jahren Modelle für Architekten und Städte baut. „Ich bin leidenschaftlicher Bremer, und es liegt mir sehr am Herzen, dass Bremen vorankommt.“
Erklärungen in Brailleschrift
Seine lokalkolorierte Kreativität drückt sich auch in einem anderen Modell aus: einem ovalen, barrierefreien Stadtmodell der historischen Innenstadt Bremens, das die bauliche Vielfalt der Altstadt abbildet, betrachtet und ertastet werden kann. Gezeigt wird die Stadt von der Kunsthalle bis zur Sparkasse am Brill, Teile des Walls und auch der Weser. Am Rand sollen in Blindenschrift Erklärungen zu den einzelnen touristischen Attraktionen zu lesen sein.
Derzeit ist dieses ovale Modell noch ungefähr in DIN-A3-Größe und aus bronzefarbenem Kunststoff zu bewundern, wenn es aber nach Hogrefe geht, soll es bald in Bronze an der Bürgerschaft neben dem Kiosk stehen und 240 mal 140 Zentimeter groß sein. „Oval deshalb, damit die Menschen sich nicht verletzen, wenn sie mal dagegen laufen, außerdem ist der Mittelteil hohl, und diese Tischform erlaubt es auch Rollstuhlfahrern, nah an das Modell heranzufahren.“
Und der Standort könnte nach den Vorstellungen von Hogrefe ein Ort der Begegnung werden. Neben dem kleinen Modell gibt es auch bereits eines in der geplanten Größe. Es zeigt ein Luftbild der Innenstadt und eine vereinfachte, dreidimensionale Darstellung des St.-Petri-Doms. Auf der Umrandung dieser Innenstadtkarte haben Ausstellungsbesucher ihre Kommentare hinterlassen: „Super Idee!“, ist da zu lesen. „Ein sehr gutes Projekt, das Bremen gut zu Gesicht stünde.“ „Schöne Idee, nicht nur für Touristen.“ Keine Ablehnung ist wahrzunehmen, höchstens mal Unverständnis: „Ich versteh's nicht!“
Das im kleinen Maßstab bereits vorhandene Modell zeigt eine abstrakte Darstellung der Stadt, wenn aber das große Modell kommen soll, werden die markanten Gebäude, die Plätze und Straßen fein und detailliert ausgearbeitet sein. „Ich habe einen sehbehinderten Ingenieur im Boot, der mich berät“, erzählt Hogrefe, „ich möchte nicht, dass es nachher heißt: ,Nice try'.“ Netter Versuch.
Noch steht zwar nicht fest, ob, wann und wo das Modell stehen soll, doch Thomas Hogrefe ist zuversichtlich: „Der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück findet die Idee gut, ebenso Bürgermeister Sieling. Anfang Mai wird es ein Treffen geben, um über das Projekt zu sprechen.“ Auch mit dem Bremer Blinden- und Sehbehindertenverein hatte er schon Kontakt. „Das gab mir die Möglichkeit, herauszufinden, ob die betroffenen Menschen so ein Modell möchten und ob es ihnen auch helfen würde, die Stadt erfahrbarer zu machen“, sagt der Modellbauer, „und die Resonanz war großartig.“ Überhaupt habe er noch niemanden getroffen, der gemeint habe, dass Bremen so etwas nicht braucht.
Wegen der prekären Haushaltslage kann sich Thomas Hogrefe vorstellen, dass Stiftungen zur Finanzierung beitragen können. „Oder es wird ein Crowdfunding-Projekt, wo die Namen der Geber später vielleicht im Sockel des Stadtmodells verewigt werden.“ Und vielleicht bezahlt ja der eine oder andere Hausbesitzer „sein“ Relief ja auch aus eigener Tasche. Insgesamt geht Thomas Hogrefe von 100 000 Euro aus. Eine sinnvolle Investition, findet er, und vergleichsweise günstig: „Für wenig Geld hätte Bremen eine neue Attraktion.“