Von wegen Spanien, Italien oder gar Türkei – am Liebsten verreisen die Deutschen derzeit im eigenen Land. Und immer mehr von ihnen kommen nach Bremen und an die Küste.
„Allein im April lag die Anzahl der Übernachtungen mit 171755 volle 10,6 Prozent höher als im Vorjahr“, verkündet die Pressesprecherin der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ), Maike Lucas, die jüngsten verfügbaren Zahlen aus der Hansestadt. Von Januar bis März lag der Anstieg bei 5,4 Prozent. Und dieser Anstieg ist keineswegs ein Ergebnis schlechter Vorjahreszahlen.
Im Gegenteil: „Seit etwa fünf Jahren eilen wir von Rekord zu Rekord“, so Lucas. Von einem Ausreißer will auch Sascha Füchtner nicht sprechen. Der stellvertretende Direktor des Atlantic Grand-Hotels am Bredenplatz, beispielhaft befragt, ebenfalls seit einigen Jahren ein „gesundes Wachstum“. Anhaltend gut gebucht ist auch die Bremer Jugendherberge an der Schlachte. „Unsere 246 Betten sind oft zu drei Vierteln voll“, freut sich Herbergsleiter Jürgen Koopmann.
Ähnliche Signale gibt es auch von der niedersächsischen Küste. „Wir können jetzt schon sagen: Das erste Halbjahr ist extrem gut gelaufen – und das obwohl über Ostern selbst für Einheimische das Wetter ziemlich herb ausfiel“, sagt Sven Ambrosy, Vorsitzender im Tourismusverband Nordsee in Jever. Im vierten Jahr in Folge lege man damit stets bessere Zahlen vor.

Selfie auf dem Marktplatz: auch Bremen zieht immer mehr Touristen an.
Reisen in Deutschland
Dieser Trend spiegelt sich auch in einer Analyse der zwölf norddeutschen Industrie- und Handelskammern wider. „Der Trend zum Urlaub im eigenen Land hält an, und davon profitiert das Gastgewerbe in Norddeutschland ganz besonders“, urteilen die Autoren. Hinzu komme die Nachfrage aus dem Ausland, die für den Norden einen bedeutenden Wachstumsmarkt darstelle. Von den 1056 befragten Betrieben im Gastgewerbe und der Reisewirtschaft hielten 48 Prozent der Hoteliers und Gastwirte ihre Ertragslage für gut, 44 Prozent immerhin noch für befriedigend, nur acht Prozent für schlecht. 34 Prozent rechneten für das Sommerhalbjahr mit weiter steigenden Umsätzen.
Der Markt für Reisen in Deutschland ist weitaus größer, als es Reisekataloge erwarten lassen. Selbst beim Haupturlaub liegt das eigene Land mit 30 Prozent weit vor dem zweitplatzierten Spanien mit 13 Prozent, hat die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) ermittelt. Für Kurzurlaube bis zur Länge von fünf Tagen bleiben sogar 75 Prozent der Reisenden zwischen Nordsee und Alpen. Für Niedersachsens Küste und die Städtetrip-Destination Bremen mit ihrer Nähe zu den Ballungsräumen Rhein/Ruhr, Hamburg und Berlin versteckt sich hinter den Zahlen gewaltiges Potenzial.
Ausstellungen ziehen Reisende an
Mit der vielfach propagierten Angst vor Terror hat das indessen allenfalls bei ausländischen Gästen verstärkt zu tun. Deren Buchungen haben in den ersten beiden Monaten des Jahres um sechs Prozent vergleichen mit dem Vorjahreszeitraum zugelegt. „Wer warmes Wasser will, der fährt jetzt eben nach Spanien statt in die Türkei“, sagt Ambrosy. „Zu uns kommen Leute, die in schöner Umgebung, nachhaltig und hochwertig genießen wollen.“ Das Wattenmeer sowie neue Kultur- und Wellnessangebote trügen zum Wachstum bei. „So langsam spricht sich herum, was sich alles verändert hat“, glaubt Ambrosy.
In Bremen hält die BTZ die zahlreichen Festivals und Kulturangebote für einen Treiber der erhöhten Nachfrage: „In dieser Vielfalt gibt es die erst seit zehn Jahren.“ Damit habe sich das Sommerloch bei den Buchungen inzwischen fast geschlossen. „Die Breminale ist eher etwas von Bremern für Bremer. Aber die großen Ausstellungen etwa in der Kunsthalle ziehen tatsächlich gezielt Reisende an“, erklärt Hotelier Füchtner. Auf die Ausstellung zu Max Liebermann etwa setze man hohe Erwartungen.
Betriebe buhlen um Fachkräfte
Um ihre Angebote zukünftig weiter zu verbessern, plant laut der IHK-Studie jeder zweite Betrieb gleichbleibend hohe Ausgaben, 22 Prozent wollen sogar verstärkt investieren. Und während im übrigen Norden die Betriebe zunehmend erfinderischer um Auszubildende und Fachkräfte wie Köche buhlen müssen – für zwei Drittel der befragten Betriebe das drängendste Problem – gebe es in Bremen noch keine Engpässe. Das sagt Thomas Schlütter, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststätten-Verbandes (DEHOGA) Bremen: „Wir sind da zum Glück noch gut aufgestellt.“
Und wie wäre es mit einem Kurzurlaub Zuhause? Was die Bremer Hotellerie zu bieten hat, können Buten- und Binnen-Bremer bis Sonntag bei der Aktion „Sei Gast in deiner Stadt“ in 20 Häusern erleben. Eine Übernachtung mit Frühstück kostet Bremer und Anwohner aus maximal 50 Kilometern Entfernung nur zehn Euro pro Hotelstern. Dazu gebe es bei der BTZ viele Angebote, um die eigene Stadt zu erkunden, heißt es.
Während Hoteliers und Gastwirte über den Deutschland-Boom frohlocken, herrscht bei Reisebüros, Reiseveranstaltern und Busunternehmen eher Katerstimmung. 19 Prozent sprechen in der IHK-Erhebung von einer schlechten Entwicklung. Im Vorjahr waren es nur neun Prozent. Für das Winterhalbjahr erwarten sogar 35 Prozent schlechtere Zeiten. Grund: Reisen im eigenen Land werden überwiegend ohne fremde Hilfe gebucht.
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