Jedem Bremer, jeder Bremerin, jedem Bremerhavener und jeder Bremerhavenerin soll es am 29. August 2023 besser gehen als am 29. August 2019. Das ist, in aller Kürze, das Versprechen, das am Ende der ersten Amtszeit der ersten rot-grün-roten Koalition Wirklichkeit sein soll. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) umriss am Donnerstag in seiner Regierungserklärung in der Bürgerschaft noch einmal die Ziele, die die Regierung aus SPD, Grünen und Linken in den kommenden vier Jahren erreichen will, an denen sie sich messen lassen will – und muss. "Ankündigungen alleine reichen nicht", sagte Bovenschulte.
Bildung, Klimaschutz und der Kampf gegen Armut und soziale Spaltung der Gesellschaft: Die Themen, die die meisten der gut 140 Seiten des Koalitionsvertrags bestimmen, nahmen auch in der rund siebzig Minuten langen Rede des Bürgermeisters den größten Raum ein. "Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt den Kindern und Jugendlichen, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen", sagte Bovenschulte. Beim Kita-Ausbau reichten die bisherigen Anstrengungen noch nicht, "hier müssen und hier werden wir zulegen". Gleiches gilt für die Ambitionen von Rot-Grün-Rot beim Schulbau: 17 in Bremen und vier in Bremerhaven sollen neu entstehen, 96 von 120 Standorten ausgebaut werden. Das Schulthema macht Bovenschulte zur Chefsache. "Wir werden eine Senatskommission unter meinem Vorsitz einsetzen", sagte der 54-Jährige.
Radikales Umdenken forderte Bovenschulte beim Thema Klimaschutz, "radikal in dem Sinne, das Problem an der Wurzel anzupacken". Im Koalitionsvertrag haben die drei Partner vereinbart, die Frage der Klimafreundlichkeit künftig zur Grundlage aller Entscheidungen, ganz gleich in welchem Ressort, zu machen. "Diese Regierung will beim Klimaschutz Vorreiter sein." Gesetzte Ziele wie der Kohleausstieg bis 2023 und die Schritte hin zu einer Innenstadt ohne Autos bis 2030 seien deshalb konsequent, ebenso, die Photovoltaik und die Windenergie auszubauen – und sich für ihre Stärkung auch auf Bundesebene einzusetzen.
Bovenschulte nannte es "einen Skandal", dass Menschen mit geringem Einkommen "so große Probleme haben, Wohnraum zu finden". Er betonte erneut das Ziel von Rot-Grün-Rot, 10.000 neue Wohneinheiten zu bauen, die Sozialquote auf 30 Prozent zu erhöhen und bis 2023 mehr als 8000 geförderte Wohnungen in Bremen anbieten zu können. Bovenschulte: "Wir wollen eine Bodenpolitik nach städtebaulichen, sozialen und ökologischen Kriterien verfolgen. Die Veräußerung öffentlichen Grundbesitzes zur Stärkung des Haushalts werden wir beenden."
Die vielen rot-grün-roten Versprechen, die Bovenschulte auch in Sachen Verkehr, Ausbildung, Gesundheit und Stärkung der Stadtteile machte, kommen allerdings nicht ohne einen Pferdefuß daher: die noch ausstehenden Haushaltsberatungen. "Die Erwartungen sind groß. Klar ist aber, dass die Bäume auch in Zukunft nicht in den Himmel wachsen", sagte er. "Nicht alles Wünschenswerte wird auch finanzierbar sein." Deshalb habe man eine Prioritätenliste erstellt. Auf ihr stehen angefangen mit der Schulsanierung bis zur Bekämpfung der Kinderarmut insgesamt 13 Punkte.
Röwekamp kritisiert Erklärung
Bei der Opposition löste Bovenschultes Rede naturgemäß weniger Begeisterung aus als bei den Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen. CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp erntete mit seinem Wunsch ans Personal, ihm neben dem Wasser doch bitte auch ein Brötchen mit Hackepeter ans Pult zu bringen, erst fraktionsübergreifend Lacher, er teilte dann aber harsch aus. "Sie haben versprochen, dass für jeden alles besser wird", sagte er. "Aber nicht eine der Maßnahmen ist finanziert. Diese haushaltslose Regierungserklärung ist unlauter." Röwekamp monierte auch den Umfang der Prioritätenliste. Rot-Grün-Rot habe "keinen einzigen Schwerpunkt" gesetzt. "Sie weichen immer aus, wenn es konkret wird", kritisierte der CDU-Abgeordnete. "Aber die Menschen haben keine abstrakte Politik gewählt. Sie wollen konkrete Lösungen für ihre Probleme." Grundsätzlich halte er die Regierungserklärung für ein Plagiat der Reden von Bovenschultes Vorgängern Jens Böhrnsen und Carsten Sieling.
FDP-Chefin Lencke Steiner vermisste bei den rot-grün-roten Vorhaben den Fokus auf "bürgerliche Themen". Die Stärkung der Gymnasien oder Verbesserungen für Autofahrer: "Sie werden ausgeblendet, kommen nicht vor", sagte die Fraktionschefin der Liberalen. Auch was Auswege aus der Staufalle Überseestadt angehe, bleibe der neue Senat Antworten schuldig. Die drastischsten Worte kamen – wenig überraschend – von der AfD. Für Fraktionschef Thomas Jürgewitz ist Bremen "das deutsche Venezuela", das Antifa-Schlägertruppen gewähren lasse. Man sei auf dem Weg "ins deutsche Neandertal".
+++Dieser Text wurde um 19.32 Uhr aktualisiert+++
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