Archäologen finden frühere Uferbefestigung Holzpfähle aus dem 17. Jahrhundert in der Neustadt entdeckt

Bei Bauarbeiten in der Bremer Neustadt ist eine frühere Uferbefestigung der Weser entdeckt worden. Sie und eine weitere Funde geben Einblick in die Geschichte des Stadtteils.
28.05.2020, 05:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Holzpfähle aus dem 17. Jahrhundert in der Neustadt entdeckt
Von Carolin Henkenberens

Zum ersten Mal hatten Archäologinnen und Archäologen die Gelegenheit, auf einem Gelände an der Kleinen Weser in der Neustadt Ausgrabungen zu machen. Im Zuge von Bauarbeiten auf dem einstigen Mondelez-Verwaltungsgelände konnten die Experten in 3,80 Metern Tiefe Holzpfähle freilegen, die einst als Uferbefestigung dienten. Sie stammen wohl aus dem 17. Jahrhundert und zeigen, dass die Weser einst viel breiter war, erklärt Dieter Bischop von der Landesarchäologie. Sie liegen etwa 30 Meter vom heutigen Ufer der Kleinen Weser entfernt.

Auf dem Areal zwischen den Straßen Am Deich und Grünenstraße baut das Immobilienunternehmen Justus Grosse unter dem Namen „Weserhöfe“ 266 Eigentums- und Mietwohnungen. Sie sollen 2022/23 fertig sein, berichtet Projektleiter Simon Rott. Bauherren sind gesetzlich verpflichtet, Grabungen zuzulassen, beauftragt wurde dafür das Unternehmen Archaeofirm. Die Landesarchäologie Bremen wiederum sichert und analysiert die Funde.

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Direkt neben den Holzpfählen entdeckten die Archäologen auch eine hölzerne Wasserrinne. Sie dürfte Dieter Bischop zufolge zur Entwässerung des feuchten Untergrundes gedient haben. Sowohl die Wasserleitung als auch die Holzpfähle müssten anhand der Jahresringe noch genauer datiert werden. Dies geschieht, indem Scheiben abgesägt und zur Analyse ans Deutsche Archäologische Institut in Berlin geschickt werden.

Die Neustadt, die vom historischen Stadtkern durch das Wasser schon immer auf natürliche Weise getrennt war, war lange Zeit eher dünn besiedelt. Die erste Erwähnung des mittelalterlichen Dorfes Ledense, dessen genaue Lage bis dato unklar ist, datiert auf das 9. Jahrhundert. Umfangreicher bebaut worden ist dieser Teil Bremens am Neustädter Ufer jedoch wohl erst im 18. und 19. Jahrhundert, erläutert Bischop. Bevor sich Handwerksbetriebe auf dem Gebiet ansiedelten und Speicher entstanden, wurde das Areal, auf dem jetzt die Bagger angerückt sind, als rokokozeitliche Gartenanlage genutzt.

Anhand einer historischen Abbildung von Frans Hogenberg aus dem späten 16. Jahrhundert lässt sich die Geschichte der Neustadt besser verstehen. Früher gab es dort einen Schützenplatz, erklärt Bischop. Darauf habe ein sogenannter Papageienbaum gestanden, ein Mast, auf den die Schützen zielten. Auf der Darstellung sei dieser jedoch viel höher als er tatsächlich gewesen ist, sagt Bischop. Die Straße „Papagoyenboom“ erinnert heute an den Platz. Genauso wie die Grünenstraße auf eine Freifläche zurückgehe, die ab dem 18. Jahrhundert Grünenkamp hieß.

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Damals mussten alle, die vom Gebiet der heutigen Neustadt in den Stadtkern Bremens wollten, drei Brücken überqueren, sagt Bischop. Der Grund: Ein Teil der Halbinsel zwischen Weser und Kleiner Weser war damals vom restlichen Stadtwerder samt Zwinger über eine weitere Brücke künstlich abgetrennt. Dieser westliche Teil wurde später wegen des darauf befindlichen Teerhauses als Teerhof bekannt.

Bei den Grabungen in den „Weserhöfen“ wurde neben den Uferbefestigungen und der Wasserrinne auch die Scherbe eines Kugeltopfes aus dem Mittelalter gefunden. Sie könnte mit dem mittelalterlichen Dorf Ledense zusammenhängen und aus der Zeit um 1200 stammen. Bischop hält das wenige Zentimeter große Stück in der Hand und erklärt, dass er anhand der Randform erkenne, dass es sich um einen solchen Topf für die Feuerstelle handelte.

Ebenso entdeckt wurden Scherben, die bemalt und glasiert sind und daher auf das späte 17. Jahrhundert zurückgehen. Neueren Datums ist die Glasscherbe einer Flasche der 1873 gegründeten Kaiserbrauerei, dem Ursprung der späteren Brauerei Beck und Co. Spannend für den Landesarchäologen sind auch die gefundenen Fischknochen, die er auf das 17. Jahrhundert schätzt.

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Sie könnten im Zusammenhang mit der Fischerschlachte stehen, einer damaligen Insel, die als Trockenplatz und Anlegestelle von Fischern genutzt wurde. Die Wissenschaftler fanden Knochen von Scholle, Plattfisch, Karpfen, Butt, aber auch Austern. „Die gewonnenen Erkenntnisse werden helfen, die Frühzeit der Neustadt zu beleuchten und besser zu verstehen“, erklärt Bischop. Durch das dicke Betonfundament, das an dieser Stelle viele Jahre war, sei das Areal allerdings vorbelastet. „Tiefer als die 3,80 Meter werden wir nicht graben“, sagt der Archäologe. Einerseits, weil die Bauarbeiten weitergehen sollen, und andererseits, um nichts zu zerstören. Er hoffe aber auf weitere Funde an einer anderen Ecke des Grundstücks.

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