
Es ist feucht-warm im Otterbad, doch Oliver Bott zittert. Er ist klitschnass, und seine Lippen sind blau. Schon seit drei Stunden klettert er immer wieder vom Beckenrand ins Wasser. Zitternde Hände kann Oliver Bott eigentlich nicht gebrauchen, denn er muss seine Kamera ruhig auf Christian Falk richten.
Im Otterbad entstehen gerade Teile des Musikvideos zum Lied „Im finsteren Meer schwimmen bunte Fische“. Sänger ist der Bremer Musiker Christian Falk. Die Idee, unter Wasser zu drehen, hatte Filmemacher Oliver Bott. Der 18-jährige produziert schon seit zehn Jahren Filme. „Als ich das erste Mal das Lied von Christian gehört habe, war mir klar, dass wir unter Wasser drehen müssen“, sagt Bott. Der Refrain lautet: „Willst du bunte Fische schwimmen sehen, musst du wagen zu tauchen“ – das nimmt der Filmemacher wortwörtlich, es ist aber gar nicht so einfach: Das Equipment muss wasserfest ausgerüstet werden, durch eine Taucherbrille sieht man wenig, und die beiden Männer können sich nur durch Gewichte unter Wasser halten.
Jetzt wird der Refrain aufgenommen. Dieser dauert 22 Sekunden – beim Dreh wird die Geschwindigkeit des Liedes verdoppelt, damit Sänger Falk und Kameramann Bott nur für elf Sekunden unter Wasser müssen. Der Song hallt laut durch die Halle und ähnelt in doppelter Geschwindigkeit einem Trapsong, dem Genre, das mit Verzerrungen und schnellen Beats arbeitet. „So schlimm klingt mein Song eigentlich nicht“, sagt Falk und lacht. Aber es geht nicht anders: Die Zeit ist knapp bemessen. Die beiden Männer haben nur diesen einen Tag in der Schwimmhalle. „Es ist schon wahnsinnig toll, überhaupt hier drehen zu dürfen“, sagt Sänger Falk.
Bott sieht die Unterwasser-Szenen als neue Herausforderung: „Ich kann nicht alle Bedienungen so ausführen, wie ich das an Land machen würde“, sagt er. Man müsse sich besser vorbereiten, für unterschiedliche Kameraeinstellungen steigt er immer wieder aus dem Wasser, um diese zu ändern. Sänger Christian Falk kommen diese Pausen gelegen: „Ich merke nach vier bis fünf Aufnahmen unter Wasser schon, wie mir vom Sauerstoffmangel leicht schwindelig wird.“ Um schneller und flexibler zu sein, benutzt Bott bei bestimmten Perspektiven eine wasserfeste GoPro, eine kleine Actionkamera. „Die große Kamera ist die ganze Zeit in einer Schutzfolie: Dadurch kann ich die Schärfe nicht so gut ziehen.“
Eigentlich hatte Oliver Bott sich vorgenommen, keine Musikvideos mehr zu drehen. Er habe in der Vergangenheit mehrmals keine guten Erfahrungen mit verschiedenen Bands und deren Managern gemacht, erzählt er. Manager hätten oft zu viel mitbestimmen wollen, so sei viel Kreativität verloren gegangen. Jetzt traut er sich aber mit Christian Falk noch mal. „Ausschlaggebend war, dass Christian mir ziemlich freie Hand lässt.“
Oliver Bott hat sich seit seiner Kindheit alles selbst durch Ausprobieren und das Lesen von Handbüchern angeeignet. Schon früh hat er angefangen, seine Ausrüstung selbst zu kaufen: „Geld, auch von kleineren Aufträgen, wurde nicht wie bei anderen Teenies in Computerspiele gesteckt, sondern in mehr Equipment.“
Inzwischen bringt er das Zubehör in Koffern zum Drehort. Dort liegen neben Taucherbrillen und Schwimmflossen diverse Objektive und Beleuchtungszubehör. In der Schwimmhalle ist er nicht nur Kameramann, sondern auch Regisseur, er ist für die Aufnahmeleitung, Produktion sowie Postproduktion zuständig. Offiziell auf dem Papier steht aber ein anderer Job: Mediengestalter. Die Ausbildung schließt er dieses Jahr ab, seine ganze Zeit fließt aber schon in die eigene Filmproduktion: Drei bis vier Monate verschlingt dieses Videoprojekt. „Hauptberuflich ist das hier mein Job. Genau andersherum, als es auf dem Papier steht.“ Seine Kosten würden durch die Aufträge gerade so gedeckt. „Man kann davon irgendwie leben, aber wer sich für diese Branche entscheidet, sollte von Anfang an wissen, dass man sich nicht auf Reichtum einstellen kann.“ Manchmal wünsche er sich mehr finanzielle Mittel, um größere Produktionen umsetzen zu können. Für den Moment geht es ihm aber erst einmal vor allem um die Freude an der Sache. Die hat er bei diesem Dreh auf jeden Fall. „Diese Kooperation macht mir großen Spaß.“ Und auch Christian Falk ist zufrieden – er steht am Beckenrand mit triefendem Sakko, aber auch mit einer Tasse Kaffee.