
In einem gut geführten Baumarkt ist normalerweise alles in Obi, pardon: in Ordnung. Nicht so im Blaumeier-Atelier, das jetzt in seinem Waller Theatersaal eine „kriminalistische Baumarktkomödie“ mit vielen launigen Irrungen und Wirrungen präsentiert. Andrea Herbst inszeniert das Schelmenstück mit dem fachspezifisch einschlägigen Namen „Flansch“ als rasante Clownsrevue mit poetischen Momenten.
Welch ausladendes Sortiment, was für einladende Gänge im Baumarkt Bremen! Sehr lang sind die perspektivisch angedeuteten Wege, sehr vorbildlich bestückt die mannshohen Regale in der sehr realitätsnah gestalteten Kulisse (Bühnenbild: Uwe Kreutzkamp, Vitold Lemanczyk). Hier gibt es nichts, was es nicht gibt (außer vielleicht Tiernahrung): neben Schrauben und Klodeckeln vor allem Muttern und Flansche, die in der gewitzten Inszenierung von Andrea Herbst eine ganz besondere Rolle spielen. Nur sind die Produkte für heimwerkelnde Kunden bisweilen schwer bis gar nicht auffindbar.
Diese Malaise liegt daran, dass die vier Mitarbeiter zwar durchaus engagiert sind, aber mit ähnlich viel Engagement ihre drolligen Spleens pflegen, die sich einer in vielen Berufsjahren erworbenen déformation professionelle verdanken dürften: Mitarbeiter Schraube (Rongvald von Saleski) zählt in seiner Abteilung hingebungsvoll seine Schutzbefohlenen, in Reih und Glied aufgestellte Gewindestifte, auf dass ihm auch nicht einer fehle (geschweige denn locker werde). Die ziemlich kokette Mitarbeiterin Strippe (Tanja Peschke) wiederum managt den Info-Point zwar souverän, fühlt sich aber offenbar zu Höherem berufen – und schätzt darob manchen Kunden gering. Die Mitarbeiter Tacker (Markus Pöhlmann) und Leuchte (Andreas Hallmen) schließlich übernehmen in diesem anarchisch grundierten Clownstheater die Rollen der subversiven Narren, die ihre Kunden ein ums andere Mal in die Irre des verwirrend vielgängigen Baumarktes führen.
Dynamische Handlung
Das ist ergiebig für die Dynamik des Stückes, aber fatal für jene originell tatternde Mutter (Helga Lampe), die mit ihrem auf sie fixierten Sohn (Sven Halberstadt) in das Heimwerkerparadies gekommen ist, um einen speziellen Flansch zu kaufen, der einen langen Namen trägt. Für gewöhnlich verbindet ein Flansch Rohre miteinander, bei den Blaumeiers hält er sozusagen die Handlung zusammen und treibt sie über 90 Minuten flutschend und fluffig voran.
Großen Anteil daran hat eine Amour fou, die sich plötzlich und unerwartet zwischen einem dreisten Dieb mit dem sprechenden Namen Klemme (sehr agil und mit wundersam beredtem Mienenspiel: Wolfgang Golewski) und besagter Mutter entspinnt. Klemme gerät gehörig in die Klemme, als er seiner Herzdame im Gängelabyrinth verlustig geht – und sie trotz der von zwei Polizisten (treffliche Beflissenheitskarikaturen: Michael Sandmeyer und Sebastian Lewandowski) und dem Personal prompt eingeleiteten Fahndung unauffindbar bleibt.
Der Abgang seiner Bezugsperson bereitet dem Muttersöhnchen erwartungsgemäß Kummer – und dem zusehends genervten Personal ausufernden Auskunftsstress („Haben Sie meine Mutter gesehen?“ „Muttern? Da lang!“). Da verwundert es nicht, dass der in vielfacher Hinsicht verdächtige Klemme von den Beamten gejagt, vom verlassenen Sohn ausgeknockt wird.
Regisseurin Andrea Herbst, die vor vier Jahren schon die Verwechslungskomödie „Mieder und Millionen“ temporeich in Szene gesetzt hat, ist eine gleichermaßen spaßige, wendungsreiche und intelligente Aufführung im Zeichen des Clownesken und Grotesken gelungen, für die alle exklusiven Blaumeier-Produktionen im Namen der Inklusion stehen. Das liegt nicht zuletzt an einer beachtlichen Ökonomie des Mitteleinsatzes: Zum einen nutzen die lauffreudigen Darsteller die Bühne sehr effizient, um die unendlichen Weiten des Planeten Baumarkt glaubwürdig vorzuführen. Zum anderen sind die Umbauten auf denkbar dezente, ja elegante Weise in den Inszenierungsfluss integriert, weil zwei apart gescheitelte Lageristen (Luca Monaco und Inga Waizenegger) in formvollendeter Symmetrie Regale rücken und Wege bahnen.
„Flansch“, das gegen Ende recht abrupt in einen surrealen Szenenreigen mündet, hat das Zeug zum Dauerbrenner. Nur gut, dass für die Herbstmonate eine zweite Aufführungsstaffel verheißen wird.
Termine: Heute, 18 Uhr. 23. und 24. Mai, 20 Uhr, 25. Mai, 18 Uhr. Theatersaal des Blaumeier-Ateliers. Travemünder Straße 7 a.