
September ist dort eine herausragende Ausstellung mit Werken des französischen Malerei-Pioniers Édouard Manet (1832-1883) zu sehen. Knapp 40 Bilder vereint die Schau, von denen 35 als Leihgaben aus Museen von Chicago bis Honolulu zusammengetragen wurden. Dieser Umstand sei schon ein „kleines Wunder“, befand Kunsthallen-Direktor Hubert Gaßner am Donnerstag. „Die meisten Häuser haben nur einen einzigen Manet.“ Viele Meisterwerke seien in Hamburg zu sehen, schwärmte Gaßner, hörbar stolz auf diesen gelungenen Ausstand seiner Amtszeit. Nach zehn Jahren gibt er den Posten des künstlerischen Museumschefs in Kürze ab. Allein sechs Jahre habe er darauf verwendet, diese Ausstellung zusammenzustellen. Unter dem Titel „Manet – Sehen. Der Blick der Moderne“ gelingt eine seltene Übersicht des meisterlichen Schaffens von der Früh- bis zur Spätphase. Hamburg sei als Schauplatz dafür im Übrigen besonders gut geeignet, betonte Gaßner. Die Kunsthalle der Hansestadt verfüge über drei Werke des großen Modernisierers in ihrem Bestand – und damit mehr als jedes andere Museum hierzulande.
Die Schau legt buchstäblich ein ganz besonders Augenmerk auf die Bilder jenes Mannes, der als großer Provokateur seine Zeitgenossen in der Pariser Gesellschaft vor 150 Jahren gegen sich aufbrachte. Manet habe in seiner Malerei die Sehgewohnheiten ein für allemal revolutioniert, so Gaßner. „Zum ersten Mal taucht der Betrachter nicht in die Bilder ein, vielmehr schaut das Bild den Betrachter an.“ Mit bis dahin nicht gewagter Selbstverständlichkeit und Direktheit blicken die Figuren von den Bildern ins Publikum. Auf den meisten der häufig großformatigen Porträts suchen die Figuren intensiven Augenkontakt. Dies niemals scheu, sondern selbstbewusst, nicht selten gar herausfordernd. Was uns heutzutage angesichts andauernder Bildpenetranz selbstverständlich ist, war zu Manets Zeit pure Provokation. Zumal der Künstler als Motive oft Personen aus Randgruppen wählte. So hoben seine kraftvollen Ölgemälde Prostituierte, Bettler, Schausteller und andere plötzlich auf Augenhöhe mit der kunstsinnigen Pariser Elite. Eine Anmaßung sondergleichen, die Manet zeitlebens die heftigste Ablehnung des damaligen Establishments sicherte, ihm aber zugleich zeitlosen Ruhm verschaffte. Der Maler gilt heute als einer der wichtigsten Wegbereiter der künstlerischen Moderne. Nicht nur die Impressionisten erkoren ihn zu ihrem Wellenbrecher, auch Performance-Künstler unserer Zeit berufen sich auf die kompromisslose Art, wie ihr Vorbild die Beziehung zwischen Betrachter und Kunstwerk von Fesseln befreite. Zu den Stärken der Schau, die bis zum 4. September zu sehen ist, zählt, dass sie diesen Einschnitt nachvollziehbar macht. Das Thema des Sehens behandeln die Ausstellungsmacher schließlich auch auf andere Weise. In einem Raum sind die Besucher aufgefordert, ihren Mitmenschen einfach mal auf Manet‘sche Weise direkt in die Augen zu sehen.