
Bremen. Blickt man aus dem Fenster des Bremer Institut français in den noch vorfrühlingshaften Garten, traut man seinen Augen nicht: Neun große, weiße Ostereier tanzen da auf dem Rasen. Beim zweiten Hinsehen entpuppen sie sich als gasgefüllte Luftballons an kaum sichtbaren Fäden, die von den lauen Lüften hin- und herbewegt werden, erdacht und installiert von dem Wiesbadener Künstler Malte Schweiger.
Der beschäftigt sich mit Stadträumen, Klimafragen, Mond- oder Sonnenständen, ist immer unterwegs in urbanen Mischzonen wie im institutionalisierten Kunstbetrieb. Schweigers Arbeiten überzeugen durch poetischen Reiz und fein gesponnene Ironie. Wenn ihm der Innenraum zu eng wird, dann sucht er bewusst die Verbindung nach draußen. So kann man durch ein kaum sichtbares Loch in der Wand – gelenkt über einen Außenspiegel – in den Bremer Himmel schauen und, wenn man Glück hat, zufällig den Mond sehen.
Der Pariser Konzeptkünstler Julien Coignet kümmert sich ebenfalls um den Erdtrabanten: Auch er beschäftigt sich mit Themen wie Stadt, Kartografie und Architektur.
Zum Beispiel zeigt er eine Ansicht der erdabgewandten Seite des Mondes, in die er Grenzlinien eingezeichnet hat, wie es sie vielleicht irgendwann einmal wirklich geben könnte. Coignets Möglichkeits-Kunst ist seriell: Man findet jede Menge Karten wirklicher oder fantastischer Orte und Inseln, alle aufgeteilt in virtuelle Schrebergärten, markiert mit Spinnenetzen absurder Grenzen. Coignets Blick auf die Welt kommt aus der ästhetischen Distanz; er kreiert Claims und Kataster, fiktiv zwar, aber dennoch tun sie weh, denn sie decken die gern verschwiegenen Realitäten der westlichen Zivilisationen auf: Landnahme und Raubbau an Bodenschätzen, Überwachungswahn, Spionage, Hunger nach privatem Profit.
Erfreulich, dass an einem Ort wie dem Institut français von einem deutschen und einem französischen Künstler grenzüberschreitend urbane Systeme und Ansichten, Sicht- und Lebensweisen thematisiert werden. Sie lernten sich beim Kunststudium in Dijon kennen und stellen oft zusammen aus. In Bremen sind ihre Arbeiten unter dem Titel "Situer/Tracer" (zu Deutsch: orten/markieren) versammelt. Die kritischen Statements von Coignet und Schweiger setzen auf Abstraktion und Komplexität, visuelle Intelligenz und Witz, lassen uns nachdenklich innehalten. Was soll man auch sagen, wenn Malte Schweiger auf die Fensterscheiben kleine Blätter Klopapier pappt, die im Aufwind der Heizkörper zum Abschied sanft wedeln?
Institut français, Contrescarpe 19, bis 23. Juni: Montag bis Donnerstag 9 bis 19 Uhr, Freitag bis 17 Uhr.