
Anschließend bestand er mehrere Prüfungen, die seinen Glauben auf die Probe stellten. Die Begegnung Placidus mit dem Hirsch ist eine schöne Legende, die Albrecht Dürer im Jahre 1501 veranlasste, einen Kupferstich in einer ungewöhnlichen Größe von 358 x 260 mm zu erstellen. Placidus wurde später als „Heiliger Eustachius“ verehrt. Der große Kupferstich war bereits bis Anfang des 20. Jahrhunderts Teil der Sammlung der Kunsthalle und gehörte einst dem Bremer Kunstverein, der das Bild allerdings 1905 verkauft hatte. Nun ist das Werk, dass Dürer selbst zeitlebens als unübertroffenes Meisterstück seiner Fähigkeiten als Kupferstecher ansah, mit Mitteln einer Schenkung von Mathilde und Fritz Müller-Arnecke über Vermittlung des Auktionshauses Christie‘s zurückerworben worden.
Ein Stempel auf der Rückseite des Blattes belegt, dass sich das Bild bereits früher im Besitz des Kunstvereins befunden hatte. Der Kupferstich entstammt aus der Sammlung Klugkist, der ältesten Sammlung des Kunstvereins. Das Inventarbuch von Hieronymus Klugkist (1851), einem der Gründer des Kunstvereins, verzeichnet allerdings zwei Exemplare des „Heiligen Eustachius“. Ein Exemplar wurde vermutlich bei einem der damals üblichen Dubletten-Verkäufe um 1905 verkauft, um Mittel für andere Neuankäufe zu generieren, teilt die Kunsthalle mit. Dieses Werk ist nun wieder nach Bremen zurückgekehrt und hat nunmehr einen umso größeren Wert, da das zweite im Inventar verzeichnete Exemplar im II. Weltkrieg verloren ging und heute offiziell zu den Kriegsverlusten gezählt wird.
Auch dieser Abzug des zweiten Bildes ist trotz seines Alters von über 500 Jahren in einem sehr guten Zustand. Der Abzug ist tiefschwarz und in den dunkelsten Partien mit intensiven Kontrasten und großer Klarheit gedruckt. „Die Erwerbung des seltenen Heiligen Eustachius bringt eines der kapitalsten Werke des deutschen Meisters wieder zurück in die Hansestadt“, sagt Jasmin Mickein, Sprecherin der Kunsthalle. Zudem schließe sich damit im Bereich der druckgrafischen Sammlung der Kunsthalle eine empfindliche Lücke, die durch frühe Verkäufe und durch Kriegsverluste im Zweiten Weltkrieg entstanden war. Ohnehin verfügt die Kunsthalle in ihrer Sammlung des Kupferstichkabinetts über einen herausragenden Bestand von Dürer-Werken. Neben der fast vollständigen Druckgrafik verfügt der Kunstverein über Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde, die 2012 in einer großen monografischen Ausstellung gezeigt wurden und als Leihgaben auch andere große Dürer-Schauen bereichern. Das Kupferstichkabinett der Kunsthalle gehört zu den bedeutenden grafischen Sammlungen in Deutschland. Seine Bestände umfassen über 220 000 Werke, darunter Handzeichnungen, Druckgrafiken, Aquarelle, Miniaturen, Skizzenbücher, Plakate und kunstvoll illustrierte Bücher aus sieben Jahrhunderten.
Dürers „Heiliger Eustachius“ überzeugt vor allem durch die ungewöhnliche Dichte und Feinheit der Stichelarbeit und „lässt ein fast malerisches Gesamtbild entstehen“, urteilen die Kunsthistoriker. Dürer sei es in dieser Arbeit gelungen, die Beschaffenheit der verschiedenen Oberflächen wie Stein, Metall, Fell oder Blattwerk besonders präzise herauszuarbeiten. Der Formenreichtum in der Naturschilderung reicht von verschiedenen Posen der Hunde, über Pflanzen, den Schwanenteich bis zu dem Vogelschwarm im Himmel und dem Ritter, der den Berg hinauf reitet. Im Übrigen erinnert der Heilige Eustachius, den Dürer hier abgebildet hat, vielleicht den ein oder anderen an einen bekannten Kräuterlikör, auf dessen Etikett ein Hirschkopf zu sehen ist. Dieser Hirschkopf, zwischen dessen Geweih ein Kreuz strahlt, ist ebenfalls dieser Legende nachempfunden. Die Kunsthalle zeigt das neu erworbene Bild von Albrecht Dürer mit zwei anderen Werken des Meisters ab Dienstag, 16. August, in der ständigen Sammlung.