
Die Anspannung (inklusive leichter Unsauberkeit) legt sich aber schon beim zweiten Song „Boundary County“, dem Titelsong ihres allerersten Albums. Wie der eröffnende Song ist das noch ein klassischer Countrysong. Unter dieser Rubrik wird Eilen Jewell auch gewöhnlich geführt, aber ganz so einfach ist es mit ihr nicht. Die Sängerin und Gitarristin aus Idaho streunt gerne durch die unterschiedlichen Stile und wird dabei höchst kompetent von ihren drei exzellenten Begleitern unterstützt. Speziell ihr E-Gitarrist Jerry Miller setzt mit seinem intensiven und sehr variablen Sound immer wieder Akzente, wozu Kontrabassist Shawn Supra und Schlagzeuger Jason Beek den zuverlässigen, mal rockorientierten, mal entspannt fließenden Groove liefern. Wie gesagt, Eilen Jewell ist nicht leicht einzuordnen, denn mal singt sie einen zupackend rollenden Honky-Tonk-Song wie „Heartache Boulevard“, mal interpretiert sie einen feinen Bluesrock-Song wie „High shelf booze“, intoniert aber kurz darauf mit umgehängter Harmonika ein ganz im Stile des Folk gehaltenes Stück wie „Rich man’s world“. Gegen Ende des ersten Teils singt sie mit „Everywhere I go“ einen Song, der den Geist der späten 60er-Jahre atmet und ein wenig an Jefferson Airplane mit der Sängerin Grace Slick erinnert. Im zweiten Konzertteil wird die Wandelbarkeit von Eilin Jewell noch deutlicher. Nach ihrem Stück „Hallelujah Band“, das die vielen Facetten der Americana-Sparte beleuchtet, wendet sie sich der Blues-Ikone Memphis Minnie zu, um anschließend eine Verbeugung vor der „Coal miner’s daughter“ Loretta Lynn, der Eilen Jewell ein ganzes Album gewidmet hat, mit „Deep in your Pocket“ zu machen. Erst Blues, direkt danach Country, das ist ein ziemliches Wagnis, aber so wie die Sängerin es vorführt, gelingt es perfekt. Im weiteren Verlauf bietet sie mit ihrer mal schmeichelnden, mal deutlich härter intonierenden Stimme noch weitere derartige Wechselbäder. Auf ihr zartes Liebeslied „Here with me“ lässt sie den ziemlich verzweifelten Blues „Drop down Mama“ von „Sleepy John Estes“ folgen, den sie kurzerhand in „Drop down Daddy“ umgetauft hat. Das wundervoll vielseitige Konzert beendet Eilen Jewell solo mit der Zugabe „Songbird“.