
Mark Renton (Ewan McGregor) kommt zurück. Am Flughafen Edinburgh steigt er aus seinem Flieger, der in Amsterdam gestartet ist, und ist Minuten später wieder bei den Leuten, die er vor 20 Jahren in einem schäbigen Londoner Hotelzimmer zurückgelassen hatte. Sick Boy (Jonny Lee Miller), der jetzt Simon genannt werden will, „Spud“ (Ewen Bremner) und Francis „Franco“ Begbie (Robert Carlyle) hängen 2016 noch genauso orientierungslos in der Gegend herum wie 1996. Der Unterschied: Wenn man Mitte 20 ist, ist das Style. Mit Mitte 40 ist das tragisch.
Das ist der Takt, den Danny Boyles Fortsetzung von „Trainspotting - neue Helden“ vorgibt. „T 2“, so kürzt sich der neue Film ab, ist weniger cool, dafür mehr melancholisch-sarkastisches Drama. Das war der erste Film über die heroinsüchtige junge Clique rund um Mark „Rent Boy“ Renton zwar grundsätzlich auch. Wegen des fulminanten Soundtracks, des hohen Tempos und der teils irrwitzigen visuellen Gimmicks wie Marks imaginiertem Tauchgang in „Schottlands dreckigster Toilette“ war „Trainspotting“ aber in erster Linie ein Film über ein Lebensgefühl im „Cool Britannia“ der 1990er. Die Möglichkeit, aus all der Hoffnungslosigkeit auszubrechen, schwang immer mit. Die Jungs würden es schon schaffen.
Die Jungs haben es nicht geschafft
Haben sie nicht. Und aus „Cool Britannia“ ist mittlerweile Brexit-Country geworden. Mark, der mit 16.000 Pfund aus einem Heroindeal nach Holland abgehauen ist, spielt den anderen kurz vor, ein Leben zu haben. Doch Karriere und Ehe sind kaputt, das Herz macht Probleme, und da zieht es ihn magisch zurück zu seinen alten Freunden in Edinburgh. Simon managt eine Spelunke namens „Port Sunshine“ in einem Gebiet, „das noch nicht von der Gentrifizierung profitiert hat“, wie er bedauert, und versucht sich außerdem als Erpresser, um seine Kokainsucht zu finanzieren. Begbie bricht aus dem Gefängnis aus, in dem er noch einige Jahre absitzen müsste. „Spud“ ist, wie im ersten Teil, der allergrößte Verlierer. Er hängt als einziger immer noch an der Nadel; als Mark ihn besucht, will er sich gerade umbringen.
Regisseur Danny Boyle hat für seinen Film zwar erneut in einen Roman von Irvine Welsh hineingeschaut, aus dessen „Trainspotting“-Nachfolger namens „Porno“ aber nur einige Bruchstücke übernommen. Ansonsten verlässt er sich auf die Idee, seine Helden von damals im Jetzt aufeinandertreffen zu lassen. Simon überredet also Mark, mit ihm gemeinsam einen „Saunaclub“ zu eröffnen; seine Freundin, die aus Bulgarien stammende Prostituierte Veronika (Anjela Medyalkova), soll die Puffmutter geben. Natürlich kommt der Plan über einen stümperhaften Anfang nicht hinaus, zudem auch Begbie dazwischen funkt, der immer noch Rache an Mark wegen dessen Betrug von 1996 nehmen will.
Seinen Charme bezieht „T 2“ von daher zum größten Teil aus dem sehenswerten Zusammenspiel der vier Hauptakteure, die ihre Figuren hemmungslos in Nostalgie schwelgen lassen – Boyle schneidet immer wieder Szenen des alten Films in den neuen und hat zudem eine weitere Rückblende-Ebene eingezogen, die die vier als Kinder zeigt. Auch auf der musikalischen Ebene gibt es dosiert Reminiszenzen, manchmal als winzige Bruchstücke (Underworlds „Born Slippy“), manchmal in größeren Häppchen (Iggy Pops „Lust for Life“, Lou Reeds „Perfect Day“). Und auch der rasante Schnitt und das Einfrieren von Einzelbildern könnte einem bekannt vorkommen – Menschen, die den ersten Film nicht gesehen haben, werden zwar die Zitate nicht deuten, können die Effekte und deren fein austarierte Ironie aber trotzdem genießen.
Inhaltlich wird die Rückwärtsgewandtheit der vier traurigen Gestalten von der einzigen weiblichen Figur von Bedeutung gespiegelt. Veronika ist nach Großbritannien eingewandert, um sich eine Existenz aufzubauen. Ihr Ziel ist klar und deutlich die Zukunft, das des Loser-Kleeblatts die Vergangenheit. Kein Wunder, dass Veronika sich am Ende als erheblich cleverer erweist als alle anderen zusammen. Und zudem dem sensibelsten aus dem Quartett noch einen Weg aus dem selbst verschuldeten Elend weist.
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