
Wer vom Marktplatz aus am Dom vorbei der Glocke zustrebt, hat einen guten Blick auf die gewitzte Werbung, die das im Konzerthaus beheimatete Restaurant D'Oro für sich macht: „Make Mittagstisch Great Again“ prangt auf einem Aufsteller, den das gestrenge Konterfei von Uncle Sam ziert. Die Travestie eines Trump-Bonmots lässt sich, mit leichter Akzentverschiebung, durchaus auch auf das Musikfest Bremen anwenden, dessen Programm am Dienstag in der Glocke vorgestellt worden ist. Zwar muss dieser bewährte Veranstaltungsreigen, dessen Strahlkraft weit über die Stadt hinausreicht, keinesfalls erst wieder großartig werden – er ist es längst –, aber er soll es ein weiteres Mal sein.
Auch und gerade im Jubiläumsjahr: Die 30. Ausgabe des Festes steht vom 24. August bis zum 14. September an, und weil das Bessere bekanntlich der Feind des Guten ist, hat das Team um den quirligen Intendanten Thomas Albert alles getan, um ein „klangvolles Programm zum runden Geburtstag“ zu komponieren (ein dezent gepimptes Musikfest-Logo inbegriffen). Tatsächlich sind wiederum zahlreiche klingende Namen aufgeboten worden, um die 1989 begründete Erfolgsgeschichte des Festivals angemessen fortzusetzen. Zuallererst dieser: Die russische Sopranistin Anna Netrebko gibt sich am 10. September in der Glocke die Ehre. Gemeinsam mit ihrem seit 2015 angetrauten Mann, dem aserbaidschanischen Tenor Yusif Eyvazov, tritt sie unter dem Dirigat von Jader Bignamini zu einer Operngala an, die unter anderem Arien und Duette von Verdi und Puccini versammelt.
Mit einer weiteren begehrten Sängerin kann das Musikfest in diesem Jahr punkten, ach was: prunken. Die deutsche Sopranistin Diana Damrau, die 2012 wegen einer Schwangerschaft ihre Mitwirkung hatte absagen müssen, gastiert am 7. September ebenfalls in der Glocke: „Auf Flügeln des Gesanges“ heißt das Programm, das sie gemeinsam mit dem französischen Harfenisten Xavier de Maistre absolvieren wird. Vorgesehen sind unter anderem Werke von Ravel und Rachmaninow.
Damit nicht genug der Hochkaräter: Nach dem umjubelten Benefizkonzert des Bundespräsidenten im Februar gibt es am 13. September in der Glocke ein Wiedersehen und -hören mit dem Pianisten Fazil Say, der seit seinem Debüt im Jahr 2004 kontinuierlicher Gast des Musikfestes ist. Unter de, m Leitwort „Musikalischer Schlagabtausch“ wird er in einen Dialog mit dem Ausnahmeperkussionisten Martin Grubinger treten, der unter anderem Mozart gilt; es sekundiert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Alondra de la Parra. Ein weiteres Konzert in der Glocke bestreitet ein Mann, den Thomas Albert bei der Programmpräsentation zärtlich als „enfant terrible“ tituliert: Generalmusikdirektor Yoel Gamzou stellt am 27. August gemeinsam mit den Bremer Philharmonikern seine Lesart von Mahlers Sinfonie Nr. 10 Fis-Dur vor.
Als „alten Bekannten“ bezeichnet Albert wiederum den Klangmagier Teodor Currentzis. Der griechisch-russische Dirigent wird am 3. September in der Glocke gemeinsam mit dem musicAeterna-Orchester und dem Chor der Oper Perm Mozarts Oper „Cosí fan tutte“ konzertant gestalten. Einem weiteren beliebten Singspiel, Verdis „Traviata“, widmen sich am 30. August ebenfalls in der Glocke Jérémie Rhorer und sein Cercle de l'harmonie.
Traditionell eröffnet wird die 30. Auflage der Bremer Fülle des Wohllauts traditionell mit der großen Nachtmusik rund um den festlich illuminierten Marktplatz. Zu den Künstlern, die bei diesem gesellschaftlichen Flanierereignis auftreten, zählen heuer das Rotterdam Philharmonic Orchestra mit dem ebenso jungen wie umjubelten Dirigenten Lahav Shani, das belgische Vokalensemble Vox Luminis und der US-Trompeter Theo Croker. Alle Künstler, nicht nur jene, die den Auftaktabend mitgestalten, sind im Internet unter www.musikfest-bremen.de nachzulesen.
Desgleichen alle Veranstaltungsorte und -zeiten zur andauernden Renaissance des wirkungsmächtigen Orgelbauers Arp Schnitger. Der Spross einer Tischlerdynastie aus der Wesermarsch, dessen Todestag sich 2019 mutmaßlich zum 300. Mal jährt, ist seit nunmehr zehn Jahren Gegenstand eines bestens etablierten Festivals im Rahmen des Musikfestes.
Gleichfalls hervorragend angenommen werden Konzerte außerhalb Bremens. Albert darf sich über einen Zuwachs an Veranstaltungsorten im Nordwesten freuen. So gibt es nun auch Spielstätten in den Landkreisen Ems- und Ammerland, und das Museumsdorf Cloppenburg beteiligt sich mit einer musikalischen Landpartie an dem Veranstaltungsreigen, dessen Finale am 14. September in der Glocke mit dem Aurora Orchestra und Werken von Beethoven und Berlioz steigt.