
Axel Bierwolf aus Pirna bei Dresden hat den Geflügelten Bleistift in Gold 2019 des Deutschen Karikaturenpreises gewonnen. Das wurde am Sonntagmittag während der Verleihung der insgesamt vier Auszeichnungen im Schauspielhaus in Dresden bekannt gegeben. Der erste Platz ist mit 4000 Euro dotiert. Bierwolf hatte die Jury, in der auch WESER-KURIER-Kulturressortleiterin Iris Hetscher mittut, mit seiner Karikatur über Würmer überzeugt, die vor Entsetzen über den Klimawandel die Erde verlassen.
Der Deutsche Karikaturenpreis, der vom WESER-KURIER gemeinsam mit der „Sächsischen Zeitung“ vergeben wird, feierte dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Insgesamt waren 1100 Karikaturen eingereicht worden, die sich mit dem Motto „Prima Klima“ befassten. Auf die Shortlist schafften es 110, die auch im parallel zur Preisvergabe erschienenen Katalog zu sehen sind.
Der zweite Platz, der mit 3000 Euro dotierte Geflügelte Bleistift in Silber, ging an den Bremer Cartoonisten Volker Kischkel alias Mock, der bereits 2010 und 2013 unter den Siegern war. Und auch die Auszeichnung in Bronze (2000 Euro) hat einen Bremer Bezug: Sie ging an Christiane Lokar alias Kittyhawk, die an der Hochschule für Künste Bremen studiert hat. Für Lokar ist es die zweite Bronzestatue nach 2009. Sie lebt mittlerweile in Berlin. Mit dem Newcomer-Preis und 1000 Euro wurde der Frankfurter Lahs (Lars Murach) geehrt.
Es begann mit einem Raben. Als im Jahr 2000 der Deutsche Karikaturenpreis erstmals in Dresden vergeben wurde, da stand Tom Pauls in der Rolle des Raben Hans Huckebein auf der Bühne der Semperoper und zitierte Wilhelm Buschs Maler Klecksel: „Ich bin daher, statt des Gewinsels, mehr für die stille Welt des Pinsels.“
Am Sonntag stand der Schauspieler wieder auf der Bühne, diesmal im Dresdner Schauspielhaus. Und Huckebein sprach: „Die Segelflotte der Gedanken, wie fröhlich fährt sie durch die Schranken.“ Über 70 Karikaturistinnen und Karikaturisten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich waren gekommen. Sie lauschten Buschs gereimten Thesen und erlebten, wie sie und ihre Kunst mit Filmen, Musik der grandiosen bayerischen Perkussions-Band Alpin Drums, Laudationes, mit insgesamt 11 000 Euro dotierten Preisen sowie grandioser Stimmung von der Jury und dem Publikum gefeiert wurden. Zum 20. Mal.
Der Deutsche Karikaturenpreis, gegründet von der „Sächsischen Zeitung“, wuchs in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum renommierten Wettbewerb in der Satire-Branche. Er ist eine Art Basislager zur Notschlachtung des täglichen Irrsinns. Hier wird mit Spottlust die Karikatur gepriesen, die ein lachhaftes, aber vor allem kritisches Bild der Gesellschaft zeichnet. Dieser Preis ist ein gesamtdeutscher Preis, der seit 2016 gemeinsam mit dem WESER-KURIER ausgerichtet wird. 12 465 Arbeiten reichten Zeichner seit 2000 bei der Jury ein, um einen der Geflügelten Bleistifte in Bronze, Silber oder Gold abzubekommen. Summa summarum 224 000 Euro Preisgeld wurde bis heute unter den Siegern verteilt, zu den Ausstellungen kamen über 200 000 Besucher.
In diesem Jahr heißt das Motto „Prima Klima“. Und tatsächlich hat sich das Klima in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht nur in der Natur gewaltig geändert. Das Internet setzte sich durch und gilt den einen als das Amen des Fortschritts und anderen als offener Ausdruck der geschlossenen Anstalt. Oft wird bei Facebook oder Twitter inzwischen das Unsagbare ausgesprochen unsäglich und angeblich, so meinen vor allem AFD-Politiker, sei der Meinungskorridor in Deutschland so eng geworden wie ein Darmverschluss. Doch die satirischen Zeichnungen beweisen, dass es weniger um Begrenzung als um Entgrenzung der Meinung geht.
Der diesjährige Sieger des Deutschen Karikaturenpreises geht in seiner Zeichnung sogar soweit, dass er den Rückzug der Regenwürmer vom Planeten Erde ausmalt. Ihr weltliches Experiment sei gescheitert. Die Würmer holen bildlich ihre Spezies zurück, wie Reiseveranstalter gefährdete Touristen aus einem Katastrophengebiet. Und genauso wie Hotelbesitzer daraufhin pleite gehen, muss nun auch der Anglerverein Insolvenz anmelden. Denn wenn der Köder verschwindet, nimmt die Nahrungskette Schaden. Wo bleibt da der Fisch? Diese Frage stellte Tom Pauls als Preisredner in der Rolle eines Anglerfreundes, der nicht nur den Wurm würdigte, sondern den Karikaturisten, der für sein Bild von der Jury den Goldenen Bleistift des Deutschen Karikaturenpreises zugesprochen bekam.
Axel Bierwolf konnte es zunächst nicht fassen, dass er der Sieger des diesjährigen Wettbewerbs sein soll. Der 47-Jährige lebt mit Frau und zwei Töchtern in Pirna und arbeitet als Kleinunternehmer. „Ich bin kein Alleinunterhalter, sondern nur Teilzeitzeichner, hauptsächlich betreibe ich einen Hausmeisterservice. Ich muss ja sehen, wie wir über die Runden kommen. Allein vom Zeichnen leben zu können, ist mir nie gelungen“, sagte Bierwolf.
„Menschen brauchen vor allem eine Sinn stiftende Beschäftigung“, betonte er. Zur therapeutische Behandlung entwickelte Bierwolf Holzspielzeug. Seit 2009 stellt er Holzpuzzle her, malt, wann immer es ihn juckt, sich und die Menschen als merkwürdige Figuren, die spinnen und doch die Wahrheit denken.
Er sieht in der Umkehrung der Dinge das Wesentliche: Wer wusste schon, dass das Kreuz, das die Kirche trägt, verkehrt herum als Schwert zu nutzen ist. Axel Bierwolf fühlt sich von der Aufmerksamkeit, die ihn jetzt ereilt, komisch berührt. „Ich bekomme für mein paar Striche einen Preis, aber ein Altenpfleger für seine Schichtarbeit nur einen Tritt in den Hintern. Das ist doch unnormal“, sagt er. Allein für diese Ansicht hat er einen Preis verdient.