
Hamburg. Deutschlands ältester Kunstverein konstituierte sich 1817 im Wohnhaus eines renommierten Militärangehörigen: Oberstleutnant David Christopher Mettlerkamp, der sich große Verdienste bei der Befreiung Hamburgs von den Franzosen erworben hatte, traf damals regelmäßig mit weiteren Honoratioren zusammen – mehrheitlich Mitglieder der Patriotischen Gesellschaft von 1765 –, um im Gespräch wohlwollend Gemälde und Zeichnungen, Radierungen und Kupferstiche zu begutachten.
Mettlerkamp, ein formidabler Feingeist, litt beredt darunter, dass Hamburg damals in Sachen Kunst ungleich weniger zu bieten hatte als andere Städte dieser Größenordnung. Folglich galt seine expansive Einladungspolitik nicht etwa einer Selbstbespiegelung mit ästhetischer Schützenhilfe, sondern tatsächlich der Ruhmmehrung des Schönen, Wahren, Guten. Vorwiegend aus Aristokraten und Großbürgern sollte sich das finanzkräftige Klientel rekrutieren, auf das es der Offizier und Gentleman im Dienste der Kunst abgesehen hatte.
Sein Plan ging auf. Erster sichtbarer Etappengewinn war im Jahr 1822 der Umstand, dass Mettlerkamps private Räumlichkeiten für das gewohnte Stelldichein nicht mehr ausreichten – und man darob ein Treffpunkt-Angebot des einflussreichen Kunsthändlers Georg E. Harzen annahm. Nicht einmal 20 Mitglieder hatte der Verein seinerzeit – Frauen waren noch ausgeschlossen –; heute sind es mehr als 1900.
Das lag auch daran, dass das ursprünglich exklusiv grundierte Forum bald schon viel Zuspruch aus jenem Milieu bekam, das die Geschicke der Freien und Hansestadt Hamburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusehends bestimmte: die Industriellen. Heutzutage ist es eine bunte Mischung aus Künstlern, Studenten, Sammlern, Bildungsbürgern und, nun ja, Pfeffersäcken, die im Vereinssitz am Klosterwall zu Ausstellungen und Austausch aufeinandertreffen – und die Gelegenheit zum Kauf von Jahresgaben haben.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trug es sich auch zu, dass der Verein an verschiedenen Orten der Stadt Ausstellungen organisierte, die freilich überwiegend von regionalen Künstlern bestritten wurden. Erst im Jahr 1869 gab es mit der Eröffnung der Kunsthalle einen zentralen Ort mit überregionaler Strahlkraft, an den der Verein dauerhaft andocken konnte. Die Bande zwischen Kunstverein und Kunsthalle waren von Anfang an freundschaftlich, ja unverbrüchlich. So schenkte der Verein dem Ausstellungshaus in dessen frühen Jahren eine veritable Kunstbibliothek und später mehrere großartige Gemälde, darunter Caspar David Friedrichs spektakuläre „Ansicht des Eismeeres“.
Blütezeit zwischen den Kriegen
Als Blütezeit des Vereins machen die Chronisten unisono die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg namhaft, als die 1919 gegründete Hamburgische Sezession den Kunstfreunden mit Rat und Tat beistand. Es gab eine vielbeachtete Ausstellung mit französischen Gemälden; zudem wurden die Werke Paul Klees, Lovis Corinths und Max Liebermanns gezeigt. Ende der 1920er-Jahre erfuhr der Kunstbegriff der Liebhabervereinigung eine Weiterung, als auch Fotografie, Bühnenbild und Architektur zu den Sujets zu zählen begannen, derer man sich fördernd annahm.
Nach wie vor gilt übrigens der Paragraf 1 der Satzung, die sich der Verein bei dessen auch formeller Gründung 1822 gegeben hatte: „Der Zweck des Kunstvereins ist die mehrteilige Mittheilung über bildende Kunst.“ Heißt: die regelmäßige Verbreitung von Neuigkeiten aus der Kunstszene. Dafür zuständig ist seit 2014 die erste Frau an der Spitze der kunstsinnigen Vereinigung: Die Kunst- und Literaturwissenschaftlerin Bettina Steinbrügge, Jahrgang 1970, ist bekannt für ambitionierte Ausstellungen mit intellektuellem Unterfutter. Sie tut dem alten Haus ausgesprochen gut.