
Ihre mächtigen Pfeifen sind Besuchern der Glocke vertraut, aber eher als Dekorationselement hinten auf der Bühne. Wenn die Sauer-Orgel erklingt, ist das ein Ereignis, auf das gesondert hingewiesen wird. Und das ist definitiv zu selten, findet Lea Suter. Suter ist gelernte Orgelbauerin und seit Herbst 2020 Kantorin der Zionskirche in Worpswede. Und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, das mächtige Tasten- und Blasinstrument in Bremens Konzerthaus aus seinem Nischendasein zu befreien.
Da passt es, dass die Orgel zum „Instrument des Jahres“ gekürt wurde. Aber vor allem: „Wir haben hier eine Stradivari“, lobt Lea Suter mit Nachdruck in der Stimme die Qualität und spielt damit auf den beinahe schon mythischen italienischen Geigenhersteller an. Die Glocke-Orgel muss sich da nicht verstecken, was ihre Herkunft abgeht. 1928 wurde sie von der Firma Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder mit 76 Registern auf vier Manualen gebaut, überstand den Krieg, musste dann lange warten, ehe sie restauriert wurde. 2005 bis 2008 war das, durch Christian Scheffler. Barbara Grobien von der Philharmonischen Gesellschaft übernahm die Finanzierung.
Seither sei das Instrument in einem guten Zustand, aber „wie ein Oldtimer, der lange in der Garage geparkt ist“, so Lea Suter. Heißt: Man sieht seine Schönheit nur, wenn er gefahren wird. Wenn er lange weggeschlossen ist, ruckelt es zudem am Anfang etwas. So sei das auch bei einem Instrument, „das muss einfach gespielt werden“. Auch hier neigt Suter zur Auto-Metapher: „Ein Oldtimer kann nicht sofort 160 Stundenkilometer fahren, der muss vorher kurz in die Werkstatt“. Von daher setzt Suter sich schon lange dafür ein, dass Studierende der Hochschule für Künste ab und an auf der Bank vor dem Instrument Platz nehmen sollen, was allerdings bisher aus Organisations- und Sicherheitsgründen schwierig ist. Von daher sollten einfach mehr Konzerte mit der Sauer-Orgel stattfinden, wünscht sie sich. Für das vergangene Jahr waren einige geplant; doch dann kam Corona. Und Lea Suter überlegte, was trotzdem möglich sein könnte.
„Der Saal war ungenutzt, daher haben wir Aufnahmen gemacht“, erzählt sie. Wir, das ist beispielsweise auch Domorganist Stephan Leuthold. Zunächst gab es Orgelmusik in einem Podcast zu hören, dann reifte die Idee, eine CD aufzunehmen. Suter klingt heute noch erstaunt, wenn sie sagt: „Seit Bestehen der Glocke gibt es noch gar keine der Orgel gewidmete CD“. Das ist seit Kurzem anders, das Album „Orgelpunkt - Die Sauer-Orgel Glocke Bremen“ ist im Handel. Zu hören sind außer Suter und Leuthold die Organisten Felix Mende und David Schollmeyer, die zwölf Werke spielen, darunter die Fantasie & Fuge BWV 542 von Bach, die „Consolation“ von Liszt oder die „Sicilienne“ von Duruflé. Zu Verdanken ist das dem Engagement von Lea Suter.
Deren Liebe zur Orgel begann am Klavier, das die aus dem Kanton Aargau stammende Schweizerin schon früh zu spielen begann. Fasziniert habe sie immer schon auch die „Mathematik in der Musik, wie genau die Töne entstehen“. Von daher sei es jedes Mal ein „Highlight“ für sie gewesen, wenn der Klavierstimmer den elterlichen Bauernhof besuchte. Mit 16 Jahren baute sie dann ihr erstes Instrument, ein Clavichord, und beschloss, beruflich zweigleisig zu fahren. Lea Suter wollte Musikerin werden und Orgelbauerin. Im rumänischen Siebenbürgen lernte sie das Handwerk, an der Hochschule für Künste Bremen studierte sie Orgel und Kirchenmusik. Warum Orgel und nicht ihr erstes Instrument, das Klavier? Das „Orchestrale“ des Klangs habe sie gepackt und die Tatsache, dass man „den ganzen Körper beim Spielen einsetzen muss. Das ist wie in einem Cockpit, man arbeitet mit Händen und Füßen“.
Lea Suter hat bereits weitere Pläne für die Glocke. „Orgel plus“ heißt eine Konzertreihe, bei der die Sauer-Orgel und jeweils ein anderes Instrument erklingen sollen, vielleicht sogar beim Musikfest. Für eine Kombi eigne sie sich besonders gut, so die Organistin, weil „sie klanglich nicht so in den Vordergrund drängt“. Als erste Veranstaltung nach dem Corona-Lockdown wird es aber wohl ein zünftiges Record-Release-Konzert geben. Da kann der Oldtimer dann mal wieder so richtig auf Touren gebracht werden.
Das Instrument des Jahres
Im Jahr 2020 war es die Violine, in diesem Jahr trägt die Orgel den Titel „Instrument des Jahres“. Bestimmt wird dies jeweils von zwölf Landesmusikräten - auch der Bremer Verband ist darunter. Bremens Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) hat ebenso die Schirmherrschaft übernommen wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Wilfried Kretschmann (Grüne) oder Organistin Iveta Apkalna für Hamburg und Schleswig-Holstein. Auf das Jahr verteilt soll es Projekte und Konzertreihen geben, an denen sich Amateure und professionelle Musiker beteiligen und die die Orgel in den Mittelpunkt rücken. Die Aktion gibt es seit 2008. Erstes „Instrument des Jahres“ war die Klarinette.
Die CD „Orgelpunkt - die Sauer-Orgel Glocke Bremen“ mit Werken (u.a.) von Felix Mendelssohn Bartholdy, Johann Sebastian Bach, Franz Liszt und Louis Vierne ist unter anderem erhältlich über die Mailadresse glockeorgeldigital@gmail.com und kostet 19,99 €.