
Bremen. Müll liegt auf der Bühne des Musical-Theaters. Rostige Konservendosen in Übergröße stapeln sich neben alten Zeitungen, verstoßenen Kleidungsstücken, einem ausrangierten Auto und anderen Gegenständen, die einst jemand weggeworfen hat. Die Bühne des Theaters hat sich in einen Schrottplatz verwandelt. Gewollt, denn all diese kleinen Details gehören zum Bühnenbild des Erfolgsmusicals „Cats“. Die Originalproduktion aus dem Londoner West End ist gerade auf Deutschland-Tour und macht noch bis Sonntag Halt in Bremen.
Mehr als 73 Millionen Zuschauer weltweit zählt das Musical von Andrew Lloyd Webber, das 1981 in London uraufgeführt wurde, mittlerweile. Es gehört zu den Musicals mit der längsten Laufzeit und hat in London sowie am New Yorker Broadway alle Rekorde gebrochen. Die Story ist schnell erzählt: Jedes Jahr kommen die stolzen Jellicle-Katzen auf einem Schrottplatz zusammen, um den Jellicle-Ball zu feiern, bei dem ihr Anführer Old Deuteronomy eine Katze auswählt, der die Ehre zuteilwird, wiedergeboren zu werden. Nacheinander stellen die Katzen sich und ihre ganz besonderen Eigenschaften vor.
Coole Kater und weise Greise
Da wäre zum Beispiel der coole junge Kater Rum Tum Tugger – bei der Premiere wunderbar locker und gesanglich stark verkörpert durch Nathan Johnson, der eigentlich nur die Zweitbesetzung ist – mit Löwenmähne und Elvis-Hüftschwung. Der Australier Anthony McGill spielt sowohl den rundlichen Kater Bustopher Jones, als auch den alten Theaterkater Gus, der sich auf der Bühne noch einmal an seine Glanzzeiten erinnern darf. Jordan Castle als langsam schreitender Old Deuteronomy stellt einen wunderbar ruhigen Gegenpol zur ansonsten quirligen, schnellen Katzensippe dar und ließ sich am Premierenabend in der Pause bereitwillig mit Fans unter dem leuchtenden Vollmond des Bühnenbildes fotografieren. Star des Abends war allerdings die großartige Joanna Ampil in der Rolle der verstoßenen Katzen-Diva Grizabella, die mit ihrer Interpretation des bekannten Musical-Hits „Memory“ für Gänsehautmomente sorgte.
Das gesamte Musical wird, wie auch das Original, in englischer Sprache präsentiert. LED-Tafeln rechts und links von der Bühne übersetzen die zentralen Inhalte ins Deutsche, sodass jeder dem Geschehen folgen kann. Doch selbst wenn man nicht alles versteht – „Cats“ lebt durch seine nicht nur tänzerisch beeindruckenden Choreografien. Diese wirken durch viele kleine katzentypische Verhaltensmuster der Darsteller – vom Pfotenlecken bis zum Katzenbuckel – noch authentischer. Genauso aber natürlich auch durch die zeitlosen Melodien, die viele Besucher beim Verlassen des Theaters am Dienstag noch leise auf dem Heimweg vor sich hin summten.
Auch nach 36 Jahren auf der Bühne hat Andrew Lloyd Webbers Adaption der Gedichtsammlung „Old Possum's Book of Practical Cats“ von T.S. Elliot nicht das kleinste Bisschen seiner Faszination verloren. Das großartige Bühnenbild und die individuellen Kostüme (John Napier), die jeder Katze ihren eigenen Charakter geben, gesanglich sowie akrobatisch unfassbar gute Darsteller und Webbers Musik verschmelzen zu einem beeindruckenden Ganzen. Dass die Bühne in Bremen etwas kleiner ist als am London Palladium und das neunköpfige Orchester (dirigiert von Tim Davies) sich zwar hören, aber nicht sehen lässt, ändert daran auch nichts. Standing Ovations bei der Bremen-Premiere und Applaus, der noch anhielt, als die Katzen sich schon längst auf leisen Pfoten davongestohlen hatten.