
Keine Scherze über Namen. So lautet ein ungeschriebenes journalistisches Gesetz. Nur gut, dass bei der Ansicht des düsteren Thrillers „Official Secrets“ ohnehin kein Zuschauer zum Scherzen aufgelegt sein dürfte. Schließlich geht es in dem auf Tatsachen fußenden Film um die längst verstörend beantwortete Frage, ob die USA und Großbritannien im März 2003 den Dritten Golfkrieg auf der Basis falscher Aussagen begonnen haben, die den angeblichen Massenvernichtungswaffen-Besitz des Saddam-Regimes betrafen. Ein explosives Thema. Der Umstand, dass die Frau, die zur Aufklärung der Hintergründe beigetragen hat, den Nachnamen Gun (Schusswaffe) trägt, taugt daher bloß als bitterer Treppenwitz der Militärgeschichte.
London, Ende Januar 2003. Wenige Wochen vor der Irak-Invasion erhält Katharine Gun (Keira Knightley) in der britischen Nachrichtendienstzentrale GCHQ eine E-Mail, in der ein NSA-Angestellter namens Frank Koza die Behörde um Informationen bittet, „die US-Entscheidern einen Vorteil dabei verschaffen könnten, Ergebnisse im Einklang mit den Zielen der USA zu erreichen oder Überraschungen zu vermeiden“. Wie brisant dieses Amtshilfegesuch ist, spürt Gun intuitiv. Koza verlangt die Überwachung von Büros der Vereinten Nationen, genauer: von Vertretern Angolas, Bulgariens, Kameruns, Chiles, Guineas und Pakistans. Die sechs Staaten hatten zum Zeitpunkt der Nachricht Stimmrecht im Sicherheitsrat, durch den die USA ihren Angriff legitimieren lassen wollten. Sie sollten erpresst werden, um für den Krieg zu stimmen.
Indem Gun das NSA-Memo durchsickern lässt, begibt nicht nur sie sich in Gefahr. Gleiches gilt für die Menschen, die ihr Wissen teilen und verbreiten. Zuallererst Martin Bright, ein investigativer Journalist der britischen Sonntagszeitung The Observer, der die spektakuläre Enthüllung lanciert. Als die Einschüchterungspläne der USA öffentlich sind, ist die Empörung unter den Mitgliedern des Sicherheitsrates groß, die Aussicht auf eine UN-Resolution zugunsten des Krieges verwirkt. Für das Angriffsziel Irak ändert das die Bedrohungslage insofern nicht, als US-Präsident George W. Bush seine Invasionspläne auch ohne Mandat der Vereinten Nationen wahrmachen wird, wie er kurz nach der Memo-Publikation ankündigt. Der südafrikanische Regisseur Gavin Hood hat bereits in dem ungewöhnlichen Drohnen-Thriller „Eye in the Sky“ (2015) sein Interesse für brisante Militärmissionen und die sehr spezielle Kommunikationsweise von Nachrichtendiensten aufblitzen lassen.
„Official Secrets“ ist ähnlich dunkel grundiert wie sein voriges Werk. Was auch daran liegt, dass Hood die Geschichte der Katherine Gun über weite Passagen als Kammerspiel inszeniert. Zu sehen sind Abhörspezialisten in geschlossenen Räumen bei ihrer subversiven Arbeit, konspirative Enthüllungsversuche in abhörsicheren Kellern, Krisengespräche in Redaktionen, in denen die Nacht nie zu weichen scheint, Verhandlungen im Gerichtssaal. Nicht zu vergessen: jene mit Furcht und Beklemmungen unterfütterten Unterhaltungen, die Gun mit ihrem Mann führt, der – ausgerechnet! – ein Kurde aus dem Irak ist und, seiner Frau wegen, plötzlich vor der Abschiebung steht. Diese und andere beklemmenden Szenarien zeigen eindringlich, wie eng es für Menschen werden kann, denen an der Bekanntmachung der Wahrheit liegt.
„Official Secrets“ ist dank des facettenreichen Spiels von Keira Knightley, die zugleich dezent und intensiv die vielen Gesichter einer Verfolgten vorführt, an zentraler Stelle passgenau besetzt. In einer gehaltvollen Nebenrolle überzeugt Ralph Fiennes als ihr Anwalt Ben Emmerson. Allerdings wäre es dem Unterhaltungswert des Filmes dienlicher gewesen, wenn die juristischen und völkerrechtlichen Diskurse abgekürzt worden wären, für die er steht. Offenbar lag dem Regisseur aber wegen des großen Aufsehens, das die Causa Gun seinerzeit erregte, an einer Art der Aufarbeitung, die auch wegen der beglaubigenden Nachrichten-Montagen bisweilen semi-dokumentarisch anmutet.
Dazu aber ist ein Thriller-Format nur bedingt geeignet. Ausnahmen bestätigen die Regel: „Fair Game – Nichts ist gefährlicher als die Wahrheit“ (2010), ein Film des Routiniers Doug Liman („Die Bourne Identität“, „Mr. & Mrs. Smith“) über die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame, hielt sich zwar getreulich an die Begebenheiten, auf denen er im Kern gründete, bezog aber durch einige smarte Binnenfiktionen zusätzlichen Abwechslungsreichtum. Dieser Möglichkeit hat sich Hood sehenden Auges beraubt. So rekonstruiert sein Thriller zwar auf solide Weise einen Skandal, bietet aber leider keinen nennenswerten Mehrwert.
"Official Secrets“ läuft in der Schauburg.