
Astrid arbeitet für einen lokalen Radiosender auf der dänischen Insel Bornholm. Sie moderiert eine Sendung, bei der sie zwischen launiger Musik mit Anrufern plaudert. So weit, so harmlos. Doch eines Abends lautet das Thema der Sendung „Aberglauben“, und Astrid (Danica Curcic) hat einen Mann in der Leitung, der sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Eine Vergangenheit, in der sie von Visionen gequält wurde und die sie verfolgt, seit sie neun Jahre alt ist. Und vor der sie sich fürchtet.
Die dänische Mystery-Serie „Equinox“, die seit Kurzem beim Streaminganbieter Netflix zu sehen ist, erzählt aus mehreren Perspektiven von Astrids Verstrickungen in einen animistischen Kult. Der dreht sich um die titelgebenden Kalendertage, in denen Tage und Nächte gleich lang sind, und die den Wechsel der Jahreszeiten markieren.
Die erwachsene Astrid lässt nach der Radiosendung alles stehen und liegen, liefert ihre Tochter bei ihrem Ex-Mann ab und bricht in ihre Heimatstadt Kopenhagen auf, um dem Anrufer auf die Spur zu kommen. Dessen Name lautet Jakob (August Carter), und er ist der ehemalige Freund von Astrids älterer Schwester Ida (Karoline Hamm). Ida und weitere 21 ihrer Klassenkameradinnen und Klassenkameraden sind 1999 nach einer Abiturfeier spurlos verschwunden. Nur Jakob und zwei weitere Schüler, Falk und Amelia, wurden damals gefunden. Alle drei sind seither wie besessen von dem Ostara-Kult.
„Equinox“ springt hin und her zwischen dem Jahr 2020 und den Geschehnissen, die 21 Jahre zuvor passiert sind, und die im Verschwinden der Schülergruppe münden. Die erwachsene und die junge Astrid (in jung: Viola Martinsen) leiten den Zuschauer durch die Geschichte, ein weiterer Strang ist aus dem Blickwinkel von Ida erzählt. Verwirrt wird dadurch niemand, weil die aus sechs Folgen bestehende erste Staffel in einem sehr gemächlichem Tempo erzählt ist. Vergleicht man „Equinox“ mit der deutschen Mystery-Kultserie „Dark“, die ebenfalls mit dem unauflöslich Rätselhaften von Zwischen- und Gegenwelten flirtet, lassen sich die Drehbuchautorin Tea Lindeburg und die Regisseure Søren Balle und Mads Matthiesen geradezu erstaunlich viel Zeit für ihre Geschichte.
Dieses gemächliche Tempo führt allerdings auch dazu, dass man dem Plot besser folgen kann als bei „Dark“. Oder bei dem grandiosen schwedischen Horrorfilm „Midsommar“, der ebenfalls von einem derartigen Kult erzählt, allerdings auf ungleich drastischere Weise als „Equinox“. Ekeleffekte muss man bei der dänischen Serie nicht fürchten, auch der Hasenmensch aus Astrids Visionen kommt nicht als Monster daher. Die Serie setzt auf die Faszination des Geheimnisvollen, und auf die Entwicklung der Hauptfiguren.
Danica Curcic spielt Astrid als zutiefst verunsicherte und verschlossene Frau, die gegen alle Widerstände die Wahrheit wissen will – und dabei selbst immer tiefer in den Kult hineingezogen wird. Hanne Hedelund wandelt sich von der besorgten zur berechnenden Mutter; Lars Brygmann gibt einen völlig überforderten Vater. Aufgelöst wird längst nicht alles. Vielleicht in Staffel zwei.
Equinox. Staffel eins, sechs Folgen. Anbieter: Netflix.