
Bremen. An einer Stelle des Films ist Menashe mit seinem Sohn Rieven unterwegs, sie treffen einen Bettler, der um Almosen fleht, weil er heiraten will. "Lass es bleiben, das ist gesünder", sagt Menashe im Vorbeigehen. Dieser Satz sagt viel aus über Menashe, seine Situation und die Kultur, in der er sich bewegen muss: Er lebt in der ultra-orthodoxen jüdischen Gemeinde in Borough Park, New York. Eine Enklave, die nach eigenen Regeln funktioniert und sich von den Gojim, also allen Nicht-Juden, aber auch den liberalen Juden, abschottet. Sie ist die größte chassidische Gemeinde außerhalb Israels. Ein Mann, ein Vater zumal, hat verheiratet zu sein hat, das ist eine der unumstößlichen Vorschriften. Doch Menashe ist nach dem Tod seiner Frau noch nicht soweit, und vielleicht wird er auch nie wieder soweit sein.
Regisseur Joshua Weinstein legt mit dem sensiblen Porträt über den Witwer Menashe ein Spielfilmdebüt vor, das stark von seinen Qualitäten als Dokumentarfilmer profitiert. Weinstein hat zudem ausschließlich mit Laiendarstellern aus der Gemeinde gedreht und in dem Dialekt des Distrikts – Jiddisch mit amerikanischen Einsprengseln. Das trägt zum authentischen Charme des Films bei.
Menashe (Menashe Lustig) arbeitet in einem Supermarkt, wohnt in einer winzigen Wohnung und lebt nach dem strengen Regelwerk des orthodoxen Judentums. In der Gemeinschaft in Borough Park ist er ein Außenseiter, belächelt und bemitleidet. Denn Menashe ist chaotisch, ein "Shlimasel", wie er im Buche steht, und er möchte seinen Sohn Rieven (Ruben Niborski) allein aufziehen. Das allerdings verstößt gegen die Auslegung der Thora, weshalb der Rabbi entscheidet, Rieven müsse solange beim schmallippigen und arroganten Schwager Eisik (Yoel Weisshaus) wohnen, bis Menashe wieder heiratet. Dieser lässt sich daher – sehr halbherzig – auf Verabredungen mit heiratswilligen Frauen ein. Von einer bekommt er gleich zu hören, sie lehne den Rabbi ab, weil der Frauen doch tatsächlich das Autofahren erlauben wolle.
"Menashe" erlaubt nicht nur faszinierende Einblicke in eine abgeschottete Gemeinschaft und deren rigide, alles Individuelle abschnürende Lebensweise, er erzählt gleichzeitig eine sehr anrührende Vater-Sohn-Geschichte. Rieven ist hin- und hergerissen zwischen seinem Vater und dem geordneten und geachteten Leben bei seinem Onkel.
Weinstein, selbst New Yorker und Jude, zeigt einfach, bewertet nichts und trifft damit genau den richtigen Ton. Sein Hauptdarsteller Menashe Lustig spielt dabei sich selbst, und ist gleichzeitig der erste chassidische Jude, der als Standup-Comedian ein Video auf YouTube veröffentlichte. Er wisse nicht, was nun auf ihn zukomme nach dem Film, hat er erklärt. Aber damit werde er leben müssen – in einer Gemeinschaft, in der Fernsehen und Schauspielerei verboten sind.
"Menashe" (OmU) läuft im City 46: 6., 9., 10., 12., 13., 15. bis 17.9., 26., 27.9., 29.9., 30.9, 20 Uhr und am 8.9., 20.30 Uhr.