
Es klackt, es knarrt, es rauscht, es murmelt – die Bildschirme sind schwarz, bis auf ein paar wenige. Auf einem ist Frank Schmidt zu sehen, Direktor der Museen Böttcherstraße, vor einem Gemälde im Paula Modersohn-Becker-Museum. Er weist die Zuschauer an, ihre Mikrofone und Kameras auszumachen, „damit es keine Störgeräusche gibt und die Internetverbindung stabil bleibt.“ Schmidt, wie er dort im Sakko und Hemd steht, erinnert an einen Moderator im Fernsehen, der gleich seine erste Show präsentieren wird.
Die Show heißt an diesem Nachmittag im Januar „Berührend – Annäherung an ein wesentliches Bedürfnis“ und findet über Zoom statt, als digitale Museumsführung. Es ist ein Experiment, sowohl für Schmidt und sein Team als auch für die Zuschauer und Zuschauerinnen. Zum ersten Mal probieren die Museen Böttcherstraße, eine ihrer Ausstellungen online zu zeigen, als Alternative im Lockdown, wo Kultureinrichtungen geschlossen bleiben. Ein FSJler steht mit Ringlicht hinter der Smartphone-Kamera und soll dem Direktor während der Führung auf Schritt und Tritt folgen.
„Bin ich die Einzige, bei der das Bild über Kopf ist?“, fragt eine Zuschauerin. Stille im Publikum. „Wenn ich die Einzige bin, macht das nichts. Dann schaue ich es einfach über Kopf an.“ – „Oder im Handstand“, witzelt Schmidt. Noch ein paar technische Feinheiten, dann kann es losgehen.
Das Werk, vor dem die Führung beginnt, ist eine Fotografie von Thomas Struth. Sie zeigt eine Menschenmenge, die sich in den vatikanischen Museen in Rom tummelt. Vor einem Jahr hätte niemand gedacht, dass die Museen heute menschenleer sein würden, sagt Schmidt. Die Ausstellung, die er an diesem Tag zeigt, ist während der Zeit der Pandemie entstanden und war zwischendurch schon für Besucher und Besucherinnen geöffnet. „Im Rahmen der Abstandsregeln ist uns die Bedeutung der Berührung bewusst geworden“, sagt der Museumsdirektor. Aber auch das Buch „Homo Hapticus“ des Autors Martin Grunwald habe als Inspiration gedient. Grunwald beschäftigt sich damit, wie wichtig Berührungen für Menschen sind.
Schmidt wechselt zum nächsten Werk, gefolgt von der Kamera. Hier, sagt er, gibt es ein Objekt des Künstlers Timm Ulrichs, das man theoretisch berühren müsste – das sogenannte Buch der Berührungsängste. Aber es ist nichts, was nur den Zuschauern und Zuschauerinnen hinter den Bildschirmen verwehrt bleibt. In Blindenschrift steht auf Metallplatten zu lesen „Berühre mich nicht“ – doch die Platten sind unter Strom gesetzt. Berührte man sie, bekäme man einen Stromschlag verpasst.
Der Direktor zeigt Gemälde, Fotografien, Skulpturen. Zwischendurch ploppt eine Frage im Chat auf, die wird Schmidt später beantworten. Einmal muss er zwei Werke mit etwas Abstand zeigen, in dieser Ecke gebe es ein Wlan-Problem. Die Werke von Paula Modersohn-Becker und Lucas Cranach sind nur schwer für das Publikum zu erkennen. Auch das haben die Museen Böttcherstraße in ihrer Vorbereitung bedacht: Die Gemälde werden auf den Zuschauerbildschirmen noch einmal digital eingeblendet. Schmidt führt das virtuelle Publikum die Treppe hinauf und nutzt die Zeit, ein wenig darüber zu erzählen, wie schwierig es für das Museum zur Coronazeit ist, an Kunstwerke zu kommen, weil der Transport zum Hindernis wird.
Als letzte Station zeigt die Kamera eine Skulpturenreihe von Stephan Balkenhol, die „Tanzende Paare“ heißt und aus mehreren Holzpfählen besteht, auf denen am oberen Ende Figuren geschnitzt sind. „Da wäre ich gerne selbst durchgegangen“, wird eine Zuschauerin in der Feedbackrunde sagen. Nach etwa 20 Minuten beendet der Direktor die Führung und öffnet das Forum für Diskussionen. Als er nach Rückmeldung fragt, traut sich zunächst niemand, bis der erste Zuschauer sich schriftlich bedankt und die Führung lobt. Nach und nach melden sich auch andere per Video zu Wort, loben ebenfalls, sind begeistert von der Inspiration und vom Format. Applaus gibt es in Emoji-Form.
Manche Teilnehmerinnen sind aus Berlin oder Baden-Baden zugeschaltet und dankbar, dass sie dabei sein durften, ohne anreisen zu müssen. Aber auch Verbesserungsvorschläge gibt es: „Ich hätte gerne die Möglichkeit gehabt, vor den Werken zu verweilen“, vor allem aber ist der Tenor: „Die Führung hätte länger sein können.“ Auch für Schmidt ist es ungewohnt, kein direktes Feedback aus dem Publikum zu bekommen, nicht direkt Fragen zu beantworten. Der Austausch dauert fast länger als die Führung selbst, aber auch das begrüßen viele Teilnehmende.
Gewinn machen die Museen Böttcherstraße mit solchen Führungen nicht, sagt Schmidt. Aber das sei auch in Ordnung. „Es geht darum, die Ausstellung zu vermitteln.“
Die Museen Böttcherstraße bieten virtuelle Zoom-Führungen für Gruppen über ihre Internetseite an. Pro Gruppe liegen die Kosten bei 70 Euro. Die Führungen finden je dienstags und donnerstags um 17 Uhr statt, jeden Donnerstag gibt es noch einen Termin um 14 Uhr. Führungen am Wochenende und in den Abendstunden sind nach Absprache und mit Aufpreis möglich.