
Der eine ist ein Asket, der sich als Mönch hinter Klostermauern verkriecht und sein Leben Gott weiht. Klug, strebsam, verschlossen. Gefühle sind fremdes Terrain für ihn. Dem anderen kann es gar nicht genug Leben sein: ein Künstler, der mit beinahe jeder Frau, die ihm über den Weg läuft, etwas anfängt. Der von Stadt zu Stadt zieht, von Fest zu Fest, der sich auch mal prügelt und überhaupt alles ausprobiert, was sich anbietet. Tiefsinnigkeit ist nicht darunter. „Narziss und Goldmund“ werden nicht glücklich, weil dem einen die Eigenschaften des anderen fehlen, um glücklich zu sein.
Hermann Hesse hat dieses Stück Erbauungsliteratur 1930 geschrieben – für die einen ist es ein Werk, aufgeladen mit schwiemeliger Esoterik, für die anderen die Beschreibung einer Sinnsuche. Eine starke homoerotische Komponente hat der Stoff zudem zu bieten und jede Menge turbulenter Szenen – nicht die schlechteste Voraussetzung, um daraus einen veritablen Leinwandschinken zu machen. Trotzdem bleibt unklar, was Regisseur Stefan Ruzowitzky, dessen Film „Die Fälscher“ 2008 immerhin mit dem Oscar für den besten internationalen Film prämiert wurde, bewogen hat, das Buch 90 Jahre nach seinem Erscheinen zu verfilmen.
Diese fehlende Dringlichkeit führt dazu, dass „Narziss und Goldmund“ vor allem ein ziemlich brav erzählter und farbsatt fotografierter Bilderbogen geworden ist, der sich an den in Rückblenden geschilderten Abenteuern des extrovertierten Goldmund (Jannis Niewöhner) entlang hangelt. Dieser lernt Narziss (Sabin Tambrea) im Kloster kennen.
Die beiden Jungen werden Freunde, doch als der ungestüme Goldmund ein Jungmann ist, verlässt er das Kloster. Vermeintlich, um seine Mutter zu suchen. Was er findet, ist eine nicht abreißende Kette erotischer Abenteuer, für die er – der Film spielt in einem nicht näher definierten Mittelalter – auch immer wieder böse Prügel kassiert. Natürlich stecke eigentlich in jeder Frau, in die er sich verliebe, ein Stück seiner Mutter, analysiert eine seiner Gespielinnen. Wobei ebenso klar keine vollständig an die Mutter heranreicht – Hesses Idealvorstellung von Weiblichkeit.
Die Produktion traut sich, diese Schwülstigkeit der Vorlage ein bisschen aufzubrechen und vom Buch abzuweichen. Die Marienfigur, die Goldmund schließlich für das Kloster seines Freundes Narziss schnitzt, hat kein Gesicht. Jeder Besucher kann so seine eigene Vorstellung der Mutter (Gottes) imaginieren; das sind die beeindruckendsten Szenen des Films.
Dem gelingt es ansonsten erstaunlich schlecht, aus der Kloster- und Mittelalterszenerie so etwas wie Atmosphäre zu kreieren, von einem Klassiker wie „Der Name der Rose“ ist er weit entfernt. Die Kamera von Benedict Neuenfels hält drauf, reiht aber eher unentschlossen kitschige Bilder blühender Wiesen an Szenen mit Pesttoten oder auch mal an eine Kamerafahrt durch einen Raum, in dem sich Menschen einer fellinesken Ausschweifung hingeben. Das strahlt oft die optische Biederkeit eines TV-Films der Woche aus, will aber großes Ausstattungskino sein.
Deswegen weist „Narziss und Goldmund“ auch eine hohe Dichte an Stars auf. Auch das bringt allerdings nichts, wenn man diese nicht so recht zu inszenieren weiß; einige Szenen wirken sogar unfreiwillig komisch. Hauptdarsteller Jannis Niewöhner („Der Fall Collini“), der bei jeder Gelegenheit seine perfekt definierte Brust- und Bauchmuskulatur zeigen muss, hört man deutlich an, dass er aus Berlin kommt. Auch Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“), der einen heilkundigen Mönch spielt, hätte man dringend den wurschtigen Straßenslang abtrainieren sollen.
Eine völlige Fehlbesetzung ist Uwe Ochsenknecht als Bildhauer, der vor allem bedeutungsschwer guckt und sich seinen extrem angeklebt wirkenden Bart streicht. Sogar Schauspielerinnen wie Henriette Confurius oder Emilia Schüle bleiben ärgerlich blass. Nur der wunderbare André Hennicke als neidischer Mönch Lothar darf ein wenig Fanatiker-Irrsinn als Würze einbringen. Doch die Dosis ist zu gering.
„Narziss und Goldmund“ ist ab Donnerstag in den Bremer Filmkunsttheatern zu sehen.