
In einem besonders kreativen Teil des Viertels, genauer: in der Schildstraße, gedeihen die Schöpfungen der Bremer Illustratorin Anke Bär. Nach ihrem Veröffentlichungsdebüt „Wilhelms Reise“ (2012), für das sie einen Migranten vom Spessart über Bremerhaven in die Neue Welt begleitet, und der Bildergeschichte „Endres, der Kaufmannssohn“ (2014), die das Leben in einer mittelalterlichen Hansestadt abbildet, geht es der 1977 in Erlangen geborenen Künstlerin in ihrem wiederum im Gerstenberg-Verlag erschienenen Drittling erneut um eine historische Phase von einiger Brisanz.
In „Kirschendiebe oder als der Krieg vorbei war“ führt Anke Bär, die in Hildesheim Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis studiert hat, eine Nachkriegskindheit vor. Hauptfigur ist die elfjährige Lotte, die es im Zweiten Weltkrieg mit ihrer Mutter und ihrem Bruder „von Berlin aus zu Tante Hilde ins Forsthaus“ verschlagen hat. Als die Waffen endlich schweigen, stößt auch der Vater, vormals Soldat, wieder zu ihnen. „Das ist das einzige, was er vom Krieg erzählt: wie er nach Hause kam. Bärtig und verdreckt und abgemagert“.
Lotte trotzt der Ausnahmesituation so viel Lebensqualität und Abenteuerstimmung wie möglich ab. Zugleich ficht sie Emanzipationskämpfe aus. Allen erwachsenen Einflüsterungen zum Trotz. Schließlich möchte auch sie – Not kennt kein Gebot – Kirschen klauen. Lederhose tragen sowieso.
Für das Kinderbuch nimmt der einfühlsame Ton der Autorin ebenso ein wie ästhetische Besonderheiten: Durchgängig mit Bleistiftvignetten versehen ist das Werk, dessen Abspann Fotos von Utensilien und Spielzeugen aus den 50er-Jahre zieren. Notabene: aus der eigenen Familiengeschichte. Insofern leistet das Buch zugleich autobiografische und archäologische Gedächtnisarbeit. Zudem ist dieser empfehlenswerte Titel imstande, Sprachstörungen zwischen den Generationen abzuwenden.