
Manche sagen, dass „Polizeirufe“ in vielen Fällen die besseren „Tatorte“ seien. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, es gab und gibt hervorragende Ermittler wie Kim Anneke Sarnau und Charly Hübner sowie den besonderen Glücksfall Matthias Brandt, dem nun die Neue folgt: Polizeioberkommissarin Elisabeth Eyckhoff (dargestellt von Verena Altenberger). Ob sie den guten Ruf des „Polizeiruf 110“ aus München verteidigen kann? Die erste Episode mit dem Titel „Der Ort, von dem die Wolken kommen“ macht es ihr jedenfalls nicht leicht.
Im Mittelpunkt steht ein verwahrloster Junge namens Polou, der der Polizei als Ladendieb auffällt. Es zeigt sich, dass das Kind über Jahre schwer misshandelt und eingesperrt wurde. Der Junge kann sich nicht verständlich machen, seine Herkunft bleibt ein Rätsel – bis eine Frau auftaucht, die mit auffallend brutalen Methoden versucht, den Jungen mitzunehmen. Werden irgendwo weitere Kinder festgehalten und misshandelt? Darf man den Jungen hypnotisieren, um seine Herkunft zu klären?
Der erste Fall für Elisabeth Eyckhoff hat wenig mit einem klassischen TV-Krimi gemein. So ist die Hauptfigur kein Star des Polizeipräsidiums, keine herausgehobene Ermittlerin, die unentwegt Jazz hört. Sie ist als „Streifenhörnchen“ Teil eines Dreierteams (darunter ihr Halbbruder) und wird aus Personalnot mit den Ermittlungen betraut.
Der Ton der Münchner ist flapsig, die Methoden sind unkonventionell bis unzulässig, der Ort der Handlung beklemmend, der Fall außergewöhnlich: Regisseur Florian Schwarz hat den Thriller atmosphärisch dicht in düstere und verstörende Bilder umgesetzt. Allerdings ist die Handlung krude (Buch: Thomas Korte, Michael Proehl). In den letzten zehn Minuten entwickeln sich ganz neue Aspekte. Traum, Trance und Realität verschwimmen. Das verwirrt deutlich mehr, als dass es fesseln könnte.
Der „Spiegel“ ordnete den „Polizeiruf“ in der Vorschau auf die „Tatort“-Saison zu Recht zu den TV-Krimis, „über die Sie streiten werden“. Unstrittig zu loben sind allerdings die Darsteller: Dennis Doms, der den Jungen mit Kaspar-Hauser-Syndrom spielt, ist grandios. Auch von Verena Altenberger möchte man trotz allem mehr sehen.