
Es ist ein wenig kompliziert mit der Jazzahead, denn die teilt sich in die eigentliche Messe, die erst vom 19. bis 21. April stattfindet und seit sieben Jahren – mit Einführung eines Partnerlandes – in das erheblich umfangreichere Jazzahead-Festival, das mit einem Kulturprogramm rund um das Partnerland, in diesem Jahr Polen, aufwartet.
Dieses Kulturfestival wurde nun im Theater am Goetheplatz offiziell eröffnet. Dabei waren diesem Termin schon einige vorgelagert, nämlich eine Ausstellung in der Weserburg sowie diverse Filme aus Polen im Kino City 46. Außerdem hat, wer aufmerksam an der Kunsthalle vorbeischlenderte, bereits die riesige leuchtende Röhre der polnischen Künstlerin Karolina Halatek entdeckt, die besonders bei Dunkelheit ein (begehbarer) Blickfang ist.
Bei der offiziellen Eröffnung im Theater, die von Silke Behl moderiert wurde, gab zu Beginn Uli Beckerhoff, künstlerischer Leiter der Jazzahead, einen kurzen, selbstverständlich nur fragmentarischen Überblick über das gesamte Festival-Programm einschließlich der Messe. Anschließend hatten die sieben Herren von Klancyk die Bühne für sich. Dabei handelt es sich um ein Improtheater aus Warschau, wie es ein solches auch in fast jeder größeren Stadt Deutschlands gibt.
So sehr der Begriff des Improvisierten, auf den diese Theaterform setzt, zu einem Festival passen mag, das zuletzt auf improvisierten Jazz zusteuert, so wenig besitzt diese theatralische Form tieferen Sinn. Sie setzt auf intensive Publikumsanimation und den ausgespielten Unfug, was ein wenig wie Kasperletheater für Erwachsene wirkt. Der führt aber mit seinen innerhalb einer Szene ständig wechselnden Besetzungen zu einem nur begrenzten Spaßfaktor, selbst wenn ein Großteil des Publikums sichtlich Vergnügen an den Akteuren hatte, die ihre kurzen Sequenzen auf Englisch vortrugen.
Polnische Band beim Bremer Plattenlabel Jaro
Mit dem Duo Marcin Masecki und Jerzy Rogiewicz ging es dann zu einer Vorform des Jazz, nämlich zum Ragtime. Stilecht zum Genre saß der Pianist Marcin Masecki auch nicht vor einem Flügel, sondern an einem Klavier, wie es wohl in den Barrelhouses gestanden hat, in denen der Ragtime gespielt wurde. Masecki hatte allerdings noch ein Keyboard auf das Klavier gestellt, das ab und an für den leicht angeschrägten Sound sorgte, der einst aus den oft nicht sauber gestimmten Klavieren in New Orleans und anderswo ertönte.
Masecki nimmt den Ragtime aber nicht eins zu eins. Er dekonstruiert ihn vielmehr, entbeint ihn quasi bis auf sein Grundgerüst, das er auch phasenweise in Zeitlupensequenzen verharren lässt, um ihn aber auch mal in seiner hochvirtuosen Geläufigkeit vorzuführen, wozu sein Partner an dem aufs Wesentliche reduzierten Schlagzeug-Set, das er vorwiegend mit Jazzbesen streichelt, die passenden rhythmischen Figuren beisteuert. Es sind nicht nur Ragtime-Motive, die das Duo spielt, ein wenig Charleston mischt sich ebenso ein wie Stride-Piano-Passagen und zwischendurch will es scheinen, als würden auch vage Chopin-Motive verarbeitet, was bei einem polnischen Duo nicht sonderlich verwundert.
Die zweite Konzerthälfte nach der Pause war ganz der Warsaw Village Band vorbehalten. Die siebenköpfige Band hat ein besonderes Verhältnis zur Stadt, denn seit Gründung der Warschauer Band hat das Bremer Plattenlabel Jaro Medien ihre Alben veröffentlicht, und das sind inzwischen sieben Stück in zwanzig Jahren. Die Warsaw Village Band zählt zu den Neo-Folk-Gruppen, wobei sie ihr Songmaterial regelrecht in polnischen Städten und Dörfern erforscht und vor dem Vergessen bewahrt haben. Allerdings spielt das Septett keine akustische Folklore, es setzt vielmehr auf starke elektronische Verstärkung und Klangbearbeitung.
Definiert wird der Sound durch Hackbrett, zwei Geigen, den eindrucksvollen Gesang der drei Sängerinnen, Kontrabass, zwei Perkussionisten und einen Trompeter, der frei agieren kann, mal den Melodien folgend, mal sie kontrastierend. Gelegentlich greifen die Geigerinnen auch zu einer sechssaitigen Kniegeige und einer Drehleier, womit das Klangbild noch um einiges bereichert wird. Ein druckvoller und mitreißender Auftritt der Warsaw Village Band.
Zur Sache
Das Partnerland Polen präsentiert sich in der kommenden Woche mit zwei Veranstaltungen:
11. April, 19 Uhr: „Nacht der polnischen Literatur“ im Theater Bremen mit Olga Tokarczuk und Sylwia Chutnik, Dariusz Muszer und Jacek Dehnel.
12. April, 18 Uhr: „Halbzeitgespräch“ in der Bremischen Bürgerschaft: Talkrunde zum Thema „Wie sehen die Kunst- und Kulturproduktion und deren Rahmenbedingungen bei unseren östlichen Nachbarn aus?“ Über die aktuelle Kulturszene und das Kunstschaffen in Polen diskutieren folgende Experten aus verschiedenen Themenbereichen: Anja Quickert (Journalistin), Boguslaw Chrabota (Chefredakteur „Rzeczpospolita“), Stefan Chwin (Autor, Danzig), Iwona Bigos (Nationalmuseum Wrocław), Andrzej Kaluza (Deutsches Polen-Institut, Darmstadt).
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