
Als ihm im Jahr 2012 für „Amerika“, den Auftaktband seines ganz und gar grandiosen Romanzyklus „Alle Toten fliegen hoch“, der Förderpreis zum Bremer Literaturpreis zuerkannt wurde, war noch nicht absehbar, welches Buchbestseller-Potenzial in Joachim Meyerhoff steckt. Jetzt ist der vierte Band dieser autobiografisch grundierten Reihe erschienen. Er trägt den planvoll paradoxen Titel „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“ – und setzt die launig geschilderte Lebensgeschichte des Ausnahmeakteurs fort, der unlängst zum „Schauspieler des Jahres“ gekürt wurde – und Ensemblemitglied sowohl an der Burg als auch am Hamburger Schauspielhaus ist.
In den drei Vorläuferbänden hatte Meyerhoff, dessen lakonischer Witz einen neuen Sound in der deutsche Gegenwartsliteratur etabliert hat, neben einem Austauschjahr in den USA seine an Skurrilität reiche Kindheit rekonstruiert – der Arztsohn wuchs auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik heran, die sein Vater leitete. Im neuen Roman, der an diesem Donnerstag erscheint, haben Anhänger des begnadeten Schauspielers die Gelegenheit, seine ersten Gehversuche auf den Bühnen der Republik in Nahaufnahme nachzuempfinden. Dabei beginnt Joachim Meyerhoffs Laufbahn ausgerechnet in einer Stadt, die es laut einer formidablen Verschwörungstheorie gar nicht gibt: in Bielefeld.
Dort hebt das durchgängig gelächterträchtige Buch mit einer Stadttheater-Inszenierung von „Romeo und Julia“ an. Der Ich-Erzähler gibt darin Tybalt, den Cousin Julias, der durch Romeos Schwert stirbt. Mit im Publikum sitzt Hanna, eine verhaltensauffällige Studentin, für die der Nachwuchsakteur rasch entflammt. Obwohl (oder gerade weil) ihm die hochbegabte Frau attestiert, dass seine Darstellung ihr die ohnehin defizitäre Aufführung zusätzlich vermiest habe.
Was sich neckt: Hanna, hochmögendes Spielkind, wird die erste große Liebe der Hauptfigur. Obwohl er ihr Tempo nicht halten kann. Etwa bei Gesprächen über Literatur: „Ich rannte wie im Spiegelkabinett gegen die Scheiben, konnte ihr nicht folgen, suchte tastend meinen Weg und verlor den Überblick. (...) Konnte es sein, dass ein gewisser Raskolnikov einer gewissen Madame Bovary den Schädel zertrümmert hatte?“
Auch wenn man zu Meyerhoffs Ehrenrettung annehmen darf, dass er als junger Mann smarter war, als er vorgibt, beruht dieser unterhaltsame Schelmenroman einmal mehr auf der Asymmetrie seiner im besten Wortsinne sonderlichen Figuren.