
Wie kontrovers sexualisierte Literatur hierzulande diskutiert werden kann, wissen Bildungsbürger spätestens seit dem 2. Juni des Jahres 2000. Am Abend dieses Tages zeigte das ZDF die 67. Folge des unterhaltsamen Kulturformats „Das literarische Quartett“. Einer der besprochenen Titel war Haruki Murakamis just auf Deutsch erschienener Roman „Gefährliche Geliebte“. Darin heißt es unter anderem: „Ich wollte sie bis zur Hirnerweichung vögeln.“ Anhand dieses Zitats stritten sich die Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler erbittert über die Frage, ob und – falls – inwieweit die sprachliche Gestaltung dem erotischen Potenzial dieser Prosa gerecht werden könne. MRR warf seiner Kollegin vor, jedes „hocherotische Buch“ brüsk abzulehnen; Sigrid Löffler wiederum schmähte Murakamis Buch als „Männerfantasie“ – und verließ „Das Literarische Quartett“ nach zwölf Jahren Zugehörigkeit.
In Rainer Moritz' vergnüglichem Buch „Matratzendesaster“ steht diese krasse Episode auf Seite 138. Moritz, rühriger Publizist und seit 2005 Leiter des Hamburger Literaturhauses, setzt knapp 20 Jahre nach dem telegenen Eklat zu einem nachträglichen Schlichtungsversuch an, indem er den Blick auf die damals konsultierte deutsche Übersetzung des Murakami-Buches lenkt, die sich nicht am japanischen Original bemaß, sondern aus dem Amerikanischen übertragen worden war, was für sprachliche Nuancen bedeutsam ist.
Andere mehr lustvolle denn frustrierende Ausflüge in die Literatur machen mit Texten vertraut, in denen Sexualität mit kulinarischen Genüssen gepaart wird – oder besonders unbeholfen beschrieben wird. Dazu kommen amüsante Exkurse über animalische Metaphern und Telefonsex.
Rainer Moritz: Matratzendesaster. Literatur und Sex. Reclam, Stuttgart.
186 Seiten, 11,95 €.