
„25“, brüllt Vaska ihrer Tochter Petrunya (Zorica Nusheva) noch hinterher, als diese bereits auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch ist. „Sag, du bist 25, das klingt besser.“ Eigentlich ist Petrunya 32 Jahre alt und langzeitarbeitslos. Denn sie hat Geschichte studiert und ist als Historikerin nicht gerade die gefragteste Fachkraft auf dem mazedonischen Arbeitsmarkt. Darum versucht ihre Mutter andauernd, ihr über Bekannte zu einem Job zu verhelfen – ob Petrunya nun will oder nicht. Das Ergebnis ist immer das gleiche: keine Arbeitserfahrung, keine Stelle.
Und dieses Mal ist es besonders schlimm. Der Chef der Näherei, bei dem Petrunya vorstellig wird, macht sich über sie lustig, nennt sie hässlich und sagt ihr, sie sehe aus wie 42. Wütend macht die junge Frau sich auf den Heimweg. Als sie am Fluss vorbeikommt, findet dort gerade die traditionelle Wasserweihe zum Dreikönigstag statt. Dabei wirft ein Priester ein gesegnetes Kreuz ins Wasser, und Hunderte junge Männer springen hinterher. Wer das Kreuz findet, den erwartet der Legende nach ein Jahr voller Glückseligkeit.
Petrunya zögert kurz und springt dann mit einem lauten „Waaaaah!“ voll bekleidet ins kalte Wasser. Als sie wieder auftaucht, hält sie freudestrahlend das Kreuz in der Hand und sorgt damit für einen handfesten Skandal. Denn Frauen dürfen bei der Prozession nicht mitmachen. Ein wütender männlicher Mob versucht, ihr das Kreuz wieder abzunehmen. Doch Petrunya sieht das gar nicht ein. Das ist schließlich ihr Kreuz! Ihr gewonnenes Glück!
Seine Weltpremiere feierte der Film „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ auf der diesjährigen Berlinale, wo er auch den Preis der Ökumenischen Jury und den Gilde Filmpreis abräumte. Die Idee zu dem Film kam Regisseurin Teona Strugar Mitevska, als 2014 im Osten von Mazedonien tatsächlich eine Frau das Kreuz bei einer Wasserweihe ergatterte und dafür viel Kritik von der Bevölkerung einstecken musste.
Und so ergeht es anfangs auch Petrunya im Film. Ihre Mutter, zu der das Verhältnis eh schon schwierig ist, verstößt sie, und die Polizei sucht sie, nachdem sie der Meute am Fluss entkommen konnte – das Kreuz noch immer in der Tasche. Was folgt, ist ein schier endloses Hin und Her zwischen der Kirche, der Justiz und einer Frau, die endlich einmal im Leben die Anerkennung bekommen will, die ihr zusteht. Viel zu oft wurde Petrunya in der Vergangenheit kleingemacht, viel zu oft wurde ihr eingeredet, dass sie zu nichts zu gebrauchen ist. Der Film ist eine gelungene Abrechnung mit dem Patriarchat und ein überzeugender Aufruf dazu, an sich selbst zu glauben. Denn wer an sich selbst glaubt, der braucht auch kein Kreuz, um seinem Glück auf die Sprünge zu helfen.
Im City 46 gibt es am 9. November, 20 Uhr, noch vor dem offiziellen Bundesstart eine Preview des Filmes (OmU). Hauptdarstellerin Zorica Nusheva und Produzentin Labina Mitevska werden anwesend sein. Weitere Infos und Termine unter www.city46.de.