
Wer sich am Mittwochabend im Theater Bremen die Inszenierung von „The Rake‘s Progress“ von Michael Talke anschauen möchte, wird den Bariton Christoph Heinrich in der Rolle des Nick Shadow mit veränderter Maske erleben. Heinrich war bei der Premiere der Strawinsky-Oper am 27. Mai noch komplett in Schwarz aufgetreten: schwarzes, elegantes Kostüm, aber auch schwarzes Gesicht und schwarzes Haar – immerhin spielt er jemanden, dessen Nachname auf Deutsch „Schatten“ bedeutet.
In einer Inszenierung, die derart auf grotesk Symbolhaftes setzt wie der gelungenen und sehr stimmigen von Michael Talke, völlig nachvollziehbar. Schatten ist die Farbe Schwarz zugeordnet und daher auch das Dunkle der menschlichen Psyche. Das weiß nicht nur jeder, der sich mit literarischen Topoi spätestens seit der deutschen Romantik auskennt. Das weiß sogar jedes Kind.
Doch nun wird Heinrichs Gesicht grau geschminkt. Der Grund: Eine von der Bremer „taz“ und der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Kai Wargalla losgetretene Kampagne, die – wo sonst – natürlich in den sozialen Medien für Aufregung gesorgt hat. Tenor: Heinrichs schwarz angemaltes Gesicht ist rassistisch, es erfüllt den Tatbestand des „Blackfacing“.
„Blackfacing“ nennt man die Technik, einen weißen Darsteller schwarz zu schminken, damit er einen schwarzen Menschen mimt. Zum Beispiel, um schwarze Menschen verächtlich zu machen – ein Ansatz, der allerdings auf das deutsche Stadttheater des Jahres 2018 nun wirklich gar nicht mehr zutrifft, ob nun in Bremen oder anderswo.
Dort geht es bei der Verwendung schwarzer Schminke für weiße (oder eventuell sogar leicht gebräunte) Darsteller eher darum, Figuren wie Othello auf die Bühne zu stellen. Den hat William Shakespeare weiland als Mauren mit anderer Hautfarbe als die der Venezianer angelegt; als einen Fremden. Oder es geht, wie bei „The Rake‘s Progress“, darum, symbolhafte Figuren wie eben einen Schatten bühnentauglich zu machen.
So ähnlich hat es das Theater in einer mit Intendant Michael Börgerding abgestimmten, langen Stellungnahme auf seiner Facebook-Seite auch dargestellt. Dort wird zudem auf die Gefahr hingewiesen, die eine derart kleingeistige, sich auf eine vermeintliche politische Korrektheit berufende Kritik für das hat, was Theater ausmacht: Inszenierung, Verwendung von Zeichensystemen und Einziehen mehrerer Bedeutungsebenen.
Trotz dieser absolut schlüssigen Argumentation hat sich das Theater dann aber doch dafür entschieden, dem aufgebauten Druck nachzugeben. Die Maske wird geändert, offenbar, damit wieder Ruhe im Karton ist. Frieden ist am Goetheplatz trotzdem nicht eingekehrt, denn: Die Posse geht in die zweite Runde.
Einer weiteren Inszenierung des Theaters ist Anfang dieser Woche vorgeworfen worden, Menschen zu diskriminieren. „Amour“, eine Koproduktion des Schauspiels mit der Tanztheatersparte unter der Regie von Alize Zandwijk, widmet sich dem Thema Demenz. Der Vertreter der „Syker Kreiszeitung“, der bei der Premiere am 1. Juni im Publikum saß (im Hauptberuf Galerist und zum allerersten Mal als Theaterkritiker eingesetzt), bescheinigte dem Stück, behinderte Menschen würden lächerlich gemacht. Dies sei „Blackfacing mit Rollstuhl“.
Es bleibt abzuwarten, ob an dieser Inszenierung jetzt auch noch etwas geändert wird. Und dann folgt schon die nächste Premiere. Am Sonnabend steht ein David-Bowie-Musical auf dem Programm. Der Titel: „Lazarus“. Mal sehen, wen das Theater Bremen damit auf die PC-Palme treibt.