
Elica Cheng wünscht sich, dass die Menschen aus ihrer Community mutiger werden und aus ihren Vierteln herauskommen. Ihre Community, das sind Bremer mit bulgarischen Wurzeln. Cheng ist gut vernetzt, sie hat in Bremen den Verein Rila und eine bulgarische Samstagsschule gegründet. Doch auch, wenn sie Wert auf die Kultur ihrer Eltern und Großeltern legt, findet Cheng es wichtig, offen zu bleiben für andere Nationalitäten und nicht nur unter sich zu bleiben. Die Aktion „Fünf Tage – fünf Kontinente“ im Gerhard-Marcks-Haus hält sie deshalb für eine gute Gelegenheit, um das auch zu leben.
Bei der Veranstaltungsreihe geht es darum, Kulturen abzubilden, die ansonsten in den Bremer Museen nicht viel oder gar keinen Platz haben. Verschiedene Gruppen und Künstler stellen dafür zwischen dem 12. und 18. April, jeweils von 18 bis 21 Uhr, Musik, Filme und Literatur vor. Es geht um Europa, Nord- und Südamerika, Australien, Asien und Afrika. Der Eintritt ist in diesen Stunden frei. Menschen sollen erreicht werden, die nicht zu den üblichen Besuchern gehören.
„Es ist ein Fehler zu sagen, diese oder jene Gruppe habe keinen Bezug zur Kultur„, sagt Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses. Kultur äußere sich auf sehr verschiedene Art und Weise. Vielmehr trauten sich bestimmte Menschen nicht ins Museum, weil sie glaubten, der Besuch setze besonderes Wissen voraus. “Das stimmt nicht. Es ist vielmehr so: Ich schaue mir was an und denke mir etwas dazu.“
Die Idee zu „Fünf Tage – fünf Kontinente“ ist schon mehrere Jahre alt. Hartog war immer wieder im Gespräch mit Elombo Bolayela, dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, der das Projekt vorgeschlagen hatte. „Wir brauchen ein Kulturangebot für Menschen mit globaler Herkunft“, sagt Bolayela. Nur so könnten Migranten sich mit Museen wie dem Gerhard-Marcks-Haus identifizieren. „Viel zu oft erreicht man die Menschen, die sowieso schon regelmäßig kommen“, sagt Bolayela.
Auch Elica Cheng kannte das Gerhard-Marcks-Haus bis vor kurzem nicht: „Ich habe, ehrlich gesagt, erst durch Herrn Bolayela davon erfahren.“ Sie freut sich deshalb umso mehr, dass sich schon viele Bulgaren für die Veranstaltung bei ihr angemeldet hätten, um das Haus ebenfalls kennenzulernen.
An diesem Freitag, dem ersten Tag des Projekts, geht es um Europa und speziell um Bulgarien. Cheng wird zusammen mit einem Partner einen bulgarischen Folkloretanz aufführen und außerdem etwas über Bulgariens Kultur und Geschichte erzählen. Sie hat außerdem den Kontakt zu zwei bulgarischen Opernsängern aus Münster hergestellt, die Volkslieder singen werden. Solche Veranstaltungen sind in Chengs Augen wichtig, um Menschen zum Mitmachen zu aktivieren. „Ich kenne einige Bulgaren aus Gröpelingen, die ihr Viertel nie verlassen“, sagt sie. Manche trauten sich nicht, andere hätten zu viel Stress mit der Arbeit und ihren Kindern.
Auch Hartog und Bolayela finden, dass es eines besseren Dialogs zwischen den verschiedenen Nationalitäten bedürfe. „In Bremen wird viel über Diversität und Integration gesprochen, aber häufig über die Köpfe der Menschen hinweg“, sagt Hartog. Museen müssten deswegen mehr tun als bisher. Seit einiger Zeit ist der Eintritt zum Gerhard-Marcks-Haus an jedem ersten Donnerstag im Monat frei. Tatsächlich habe man beobachtet, dass an diesen Tagen andere Besucher kämen. Doch das könne nur ein erster Schritt sein, der Eintrittspreis stelle jedoch nur einen Faktor dar, um neue Besucher anzusprechen: „Wir müssen das Signal abgeben, dass es hier nett ist.“
Das soll das Programm der fünf Abende verdeutlichen. Nach dem Thema Europa an diesem Freitag geht es am Sonnabend weiter nach Amerika und Kanada. Es geht um die Unterschiede zwischen den beiden Ländern, um Klischees der Deutschen, außerdem gibt es Musik und Literatur. Am Sonntag stehen Südamerika und Australien mit Live-Musik, einem Dokumentarfilm und Salsa auf dem Programm. Nach einem Ruhetag am Montag geht es am Dienstag, 16. April, weiter nach Asien. Das Konfuzius-Institut stellt sich vor, genauso wie der Verein Diaspora Indonesia.
Am Mittwoch, 17. April, geht es um Afrika mit einer Tanzperformance, einem Workshop und einem Vortrag über Entwicklungszusammenarbeit mit dem Kontinent. Als allgemeinen Abschluss gibt es am Donnerstag, 18. April, einen Abend, der mit „Bremen“ übertitelt ist. „Es geht darum, einen schönen Abend zu haben, ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen – auch zwischen den Gruppen“, sagt Bolayela. Für Museumsdirektor Hartog sind die kommenden Tage nur der Anfang eines Projekts, das er regelmäßig zum Ende jeder Sonderausstellung anbieten will: „Wenn jemand durch uns zu dem Schluss kommt, Museum ist nicht schlimm, dann haben wir unseren Job gut gemacht.“
„Fünf Tage – fünf Kontinente“ vom 12. bis 14. und 16. bis 18. April, jeweils 18 bis 21 Uhr. Gerhard-Marcks-Haus, Am Wall 208. Eintritt frei.