
Jens-Christian Meyer klingt drastischer als sonst. Früher hat der Sprecher der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) von einer „Task Force“ geredet, jetzt spricht er von einem „Krisenmanagement“, das tagt.
Von einer Fahrzeug-Reserve, die es faktisch nicht mehr gibt. Und davon, dass das Unternehmen am „Anschlag“ ist. Das war es zwar auch schon in den vergangenen drei Jahren. Doch jetzt, sagt Meyer, fallen im Schnitt so viele ältere Bahnen aus, dass der Fahrplan nicht nur erneut zusammengestrichen werden muss, sondern zum ersten Mal mehrere Linien in einem Ausmaß betroffen sind wie noch nie.
Meyer sitzt in einem Konferenzraum der BSAG und zeigt per Mausklick, was er meint. Er lässt Bilder verschiedener Straßenbahntypen auf einem Großbildschirm erscheinen. 119 Fahrzeuge, sagt er, könnte das Unternehmen auf die Gleise bringen, wenn nicht pro Tag durchschnittlich fast ein Viertel in der Werkstatt wäre. Meyer berichtet von Rissen in Drehgestellen, Getriebeschäden, defekten Gummimuffen zwischen Karosserie und Fahrgestell: „Der Verschleiß ist so groß, dass die 90 Schlosser und Schweißer in den Werkstätten nicht mehr nachkommen.“ Trotz Wochenendschichten, Fremdvergabe von Aufträgen und Überstunden. Das hat Meyer auch schon früher aufgezählt. Doch inzwischen spricht er nicht mehr von 5000, sondern von bis zu 6000 Überstunden.
Doppelte Laufleistung
Die Bahnen, die Meyer meint, hat Bremen in den 90er-Jahren gekauft. Sie sollten 30 Jahre halten. Dass die meisten schon jetzt, nach 20 Jahren, immer öfter kaputt gehen, hat einen simplen Grund: Sie sollten eigentlich 55.000 Kilometer pro Jahr zurücklegen. Doch ihre Laufleistung ist fast doppelt hoch. Die Stadt, sagt Meyer, hat damals zu wenige angeschafft, wenn man so will. Der Firmensprecher schüttelt den Kopf. Nein, meint er, mehr Wartungsintervalle, wie manche meinen, hätten das Problem nicht gelöst. „Mehr Wartungsintervalle als die BSAG bei ihrem Fuhrpark hat gehen aus Kostengründen, personell und wegen der Werkstattgröße gar nicht.“
Auch das zeigt Meyer, nicht auf dem Großbildschirm, sondern vor Ort: bei den Schlossern und Schweißern in der Reparaturhalle am Flughafendamm. Dort stehen die Bahnen, die nicht mehr fahren. An diesem Dienstagmorgen ist das Viertel, von dem Meyer im Konferenzraum gesprochen hat, noch nicht voll. Bisher sind 23 Fahrzeuge außer Betrieb. Einige haben kein Fahrwerk oder keinen Unterbodenschutz mehr. Anderen fehlt die Muffe zwischen Chassis und Karosserie. Oder der Wankstutzen, der dafür sorgt, dass eine Bahn nicht so wankt. Werkstattleiter Gerd Spanjer hält einen hoch, der ausgebaut wurde und zeigt einen, der eingebaut werden soll. Der alte Stutzen hatte Risse. „Das“, sagt Spanjer, „kommt jetzt öfter vor.“
Repariert wird nur, was schnell geht. Was länger dauert, wird auf eine Liste gesetzt, die später, wenn irgendwann Zeit sein sollte, abgearbeitet wird. Anders, sagt Meyer, schaffen wir es nicht mehr, die Zahl der Bahnen auf der Strecke so groß wie möglich zu halten. Vor einigen Monaten konnte die BSAG noch auf Fahrzeuge zurückgreifen, die für den Fall eines Ausfalls bereitstanden. Heute nicht mehr. „Heute“, sagt Meyer, „muss nur noch eine einzige Bahn mehr mit einem Schaden in die Werkstatt, und das Krisenmanagement berät erneut über Fahrplanänderungen.“
Ein weiteres Ausfall-Szenario will sich der Firmensprecher deshalb gar nicht vorstellen. Er will, dass sich die Politik endlich entscheidet: Soll es nun Geld geben für neue Bahnen oder nicht? Für Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne), der vor wenigen Wochen zu Besuch bei der BSAG war, ist das eigentlich keine Frage mehr. Die jetzigen Einschnitte, sagt er, zeigen überdeutlich, dass Bremen – entgegen der Ansicht vieler Kritiker – dringend in neue Straßenbahnen investieren muss. „Daran führt kein Weg vorbei.“ Lohse rechnet damit, dass der geplante Kauf von 67 Bahnen in rund einem Monat vom Senat beschlossen wird, sodass die Ausschreibung Anfang nächsten Jahres beginnen kann. Zehn weitere Fahrzeuge sollen saniert werden.
Linie 8 besonders betroffen
Kommt es so, wie Lohse sagt, werden die ersten neuen Straßenbahnen voraussichtlich ab 2020 auf Bremens Schienen rollen – viel zu spät, um die Fahrplan-Kürzungen abzuwenden. Die gibt es nämlich schon ab Montag. Besonders betroffen ist dabei die Linie 8: werktags fahren die Bahnen bloß noch alle 20 statt alle zehn Minuten – und nur noch in einem Teilbereich. Zur Kulenkampffallee geht es künftig mit dem Bus. Meyer sagt, dass die Einschnitte zwar drastisch sind, aber auf anderen Strecken mehr Pendler das Nachsehen gehabt hätten. Auf den Linien 4 und 6 hat die BSAG die sogenannten Einsatzbahnen komplett gestrichen. Auch dort fahren Busse statt Bahnen.
Und weil nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Gleise kaputt sind, richtet das Unternehmen darüber hinaus zwei Baustellen ein: am Schüsselkorb und Herdentor, beide ebenfalls ab 5. Oktober. Bis Mitte nächsten Monats sollen 140 Meter Schienen erneuert werden. So der Plan. Um den zu halten, wird vom 9. bis 12. Oktober durchgearbeitet. Vom Bahnhof zur Domsheide geht es dann nur noch über Umwege.
Über alle Änderungen informiert die Straßenbahn AG unter www.bsag.de.
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