
Holger Müller* ist frustriert. In letzter Zeit hat er immer wieder mit genervten Kunden zu tun. Deren Ärger kann er gut nachvollziehen; sein Job bereitet ihm derzeit keine Freude. Der Bremer ist Mitarbeiter der Deutschen Post AG, arbeitet seit Jahren als DHL-Paketbote. In den vergangenen Wochen habe sich die Situation im Unternehmen zugespitzt, sagt er. „Wir sind bei einigen Lieferungen elf Tage im Rückstand. Das habe ich noch nie erlebt.“ Seinen richtigen Namen will Müller lieber nicht in der Zeitung lesen. Aus Angst, sein Arbeitgeber könne daraus Konsequenzen ziehen.
Konzern im Umbruch
An dem enormen Rückstand, so Müller, seien mehrere Faktoren schuld. Der Konzern befindet sich momentan im Umbruch. Die Deutsche Post DHL hat Anfang des Jahres unter dem Namen „DHL Delivery GmbH“ mehrere Regionalgesellschaften gegründet. Dagegen protestiert die Vereinte Dienstleistungsgesellschaft (ver.di) und ruft seit Wochen zu Warnstreiks auf. Am Freitag haben Bremer Mitarbeiter ihre Arbeit niedergelegt. Das war auch schon vor Ostern der Fall. Wegen der Pause kurz vor den Feiertagen und wegen des erhöhten Sendeaufkommens kämen die Lieferanten nicht mehr hinterher, berichtet Müller. „Und es kommt hinzu, dass in den neuen Gesellschaften ein Großteil des Personals erst einmal angelernt werden musste.“
Der Postbote schildert die Situation so: Bei DHL würden die Pakete nicht mehr nach dem Eingangsdatum sortiert, sondern bunt gemischt in den Fahrzeugen der Boten landen. „Das darf eigentlich nicht sein.“ Dass der Druck groß ist, merke man auch an den vielen Krankmeldungen in den Abteilungen. „Das Weihnachtsgeschäft hat die meisten schon sehr geschlaucht und jetzt der Druck durch die Rückstaus“, sagt Müller. „Das hält nicht jeder aus. Es ist fast unmenschlich, was da an Arbeit auf uns zugekommen ist.“
Eigentlich sollen die Boten am Tag zwischen 140 und 160 Päckchen austragen. Durch den Rückstau seien es aktuell bis zu 200 Sendungen, so Müller. Viele der Mitarbeiter machten deshalb schon freiwillig Überstunden. Hinzu komme der Druck von Arbeitgeberseite. „Die Stimmung ist schlecht, weil wir dafür verantwortlich gemacht werden, dass wir durch die Streiks immer mehr Kunden verlieren“, sagt der Paketbote. Er fordert, dass mehr Personal eingestellt wird – und zwar beim Mutterkonzern.
Post streitet Vorwürfe ab
Die Deutsche Post weist indes die meisten der Anschuldigungen zurück. Zwar räumt das Unternehmen ein, streikbedingt und durch den Anstieg der Verkehrsmenge vor Ostern mit Rückständen zu tun gehabt zu haben. Doch: „Wir können ausschließen, dass wir in Bremen mit Zustelltouren elf Tage im Rückstand sind oder waren“, sagt Sprecherin Maike Wintjen.
Anders als Müller behauptet, würden alle Sendungen nach Reihenfolge des Eingangs abgearbeitet. Die Post verweist auf das Personal, das in diesem Jahr auch in Bremen bei dem Subunternehmen DHL Delivery eingestellt wurde. Zu Überstunden, Krankmeldungen und der Paketmenge pro Bote will sich der Konzern aus Gründen des Wettbewerbs nicht äußern.
Auch Anneliese Hemming hat seit fast drei Wochen Ärger mit DHL. Weil die 84-Jährige in ihrem Alter nicht mehr mit schwerem Gepäck reisen will, gibt sie ihren Koffer bei der Post auf, wenn sie in den Urlaub fährt. So auch im März, als Hemming nach Preußisch Oldendorf fährt. Auf dem Hinweg gibt es keine Probleme. Drei Tage braucht das Paket zu der Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen. Am 28. März geben Hemming und ihre Urlaubsbegleitung den Koffer wieder auf. Er soll zurück nach Bremen. Bislang ist er nicht eingetroffen. „Obwohl ich extra zwei Adressaufkleber angebracht hatte“, sagt Hemming.
Im Internet nutzt Hemmings Sohn das Angebot von DHL, um die Sendung nachzuverfolgen. Dort heißt es, dass der Koffer zunächst in Bielefeld bearbeitet wurde und am 31. März das „Ziel-Paketzentrum“ erreicht hat. Dann passiert tagelang gar nichts. Erst am 9. April wird der Koffer in Hemelingen in das Zustellfahrzeug geladen. Wenige Stunden später folgt der nächste Eintrag: „Die Sendung wurde fehlgeleitet und konnte nicht zugestellt werden. Die Sendung wird umadressiert und an den Empfänger weitergeleitet.“ Am Abend des 9. April zeigt das System den letzten Eintrag an: „Die Sendung wurde im Ziel-Paketzentrum bearbeitet.“ Was genau dort mit dem Gepäckstück passiert ist, bleibt offen.
Verärgert über Service-Hotline
Lüder Hemming, der Sohn der 84-Jährigen, ruft in der Zeit danach zweimal bei der Service-Hotline des Unternehmens an. „Beim ersten Mal, am 11. April, teilte man mir mit, man könne in den laufenden Vorgang nicht eingreifen“, sagt er. „Als ich einige Tage später wieder dort anrief, sagte mir ein anderer Mitarbeiter, dass es nun eigentlich schon zu spät sei. Nachdem ich mehrfach verbunden wurde, wies mich eine Stimme vom Band darauf hin, dass ich jetzt auflegen könne. Da fühlt man sich doch nicht ernst genommen.“
Einen Nachforschantrag für seine Mutter darf Lüder Hemming nicht stellen. Das macht nun seine Mutter selbst. Sie hofft, dass sie auf diesem Weg ihre Sachen wiederbekommt. „Im Koffer ist mein Fotoapparat, Handy-Zubehör und für mich wertvolle Kleidung“, sagt sie. Ihr Sohn ist mittlerweile so sauer, dass er der Post angeboten hat, den Koffer selbst abzuholen. „Er ist ja offenbar in Bremen. So schwer kann das doch nicht sein.“
Ein Sprecher der Post kann sich den Vorfall nicht erklären. „Der Verlauf der Sendung liest sich in der Tat ungewöhnlich“, räumt Markus Wohsmann ein. Er verspricht, dass sich am kommenden Montag jemand um den Koffer von Anneliese Hemming kümmert.
*Name von der Redaktion geändert
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