
„Sind Sie schwanger ?“, fragt Marion Heinschel und tippt auf eine Grafik, die eine Schwangere zeigt. Das ist nicht der Fall. Die junge Frau schüttelt den Kopf. Seit dem frühen Morgen sitzt Heinschel, eine Bremer Ärztin, in einem kleinen Raum der Notunterkunft für Flüchtlinge in Woltmershausen.
Anlass für die große Aktion ist die Befürchtung, dass in den überfüllten Einrichtungen eine Grippewelle ausbrechen könnte. Wo Menschen auf engstem Raum zusammenleben, ist das Infektionsrisiko besonders hoch. „Die Impfungen sind aber auch deshalb wichtig, weil ein großer Teil der Flüchtlinge ohne ausreichenden Impfschutz nach Deutschland kommt. In ihren Herkunftsländern wie Syrien oder Afghanistan ist das Gesundheitssystem zusammengebrochen“, betont Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD), die sich an diesem Morgen ein Bild vom Start der Impfaktion macht.
Der Andrang ist groß. In dem kleinen Flur vor dem Impfraum stehen Erwachsene und Kinder seit dem Start um 9 Uhr Schlange. „Viele der Flüchtlinge haben bereits bei ihrer Ankunft nach Impfungen gefragt“, sagt Zahra Mohammadzadeh vom Gesundheitsamt. „Die anderen sind über mehrsprachige Flyer und Plakate frühzeitig über die Aktion informiert worden.“ Einer von ihnen ist Mohamad Ali Resslan. Am 13. September war der Syrer in Bremen eingetroffen. „Das Angebot zur Impfung habe ich selbstverständlich angenommen“, sagt er. „Hier leben so viele Menschen zusammen, da kann man schnell krank werden.“
Marion Heinschel hat alle Hände voll zu tun. Sie trägt Namen in Listen ein, sammelt Einverständniserklärungen zur Impfung ein, die die Flüchtlinge bereits ausgefüllt haben, trägt Namen in Listen ein, misst Fieber, stellt Fragen nach Schwangerschaft und Allergien. Die Ärztin ist eine von rund 200 ehrenamtlichen Helfern, die auf den gemeinsamen Aufruf von Gesundheitsamt und Ärztekammer reagiert haben. „Einen Tag pro Woche werde ich jetzt in Flüchtlingsunterkünften statt in meiner Praxis sitzen“, sagt sie. Neben Ärzten haben sich auch Krankenschwestern, medizinische Fachangestellte, Studenten und andere Freiwillige für den Einsatz in den mobilen Impf-Teams gemeldet.
Der logistische Aufwand ist groß. Mehrere Wochen haben die Mitarbeiter des Gesundheitsamts die Aktion vorbereitet, Impfpläne entwickelt, die Sprechstunden in den Einrichtungen organisiert. Geplant ist, dass die Impfteams bei Bedarf zusätzliche Termine in einzelnen Unterkünften anbieten. Die Kosten für den Impfstoff belaufen sich nach Angaben der Gesundheitsbehörde auf rund 150 000 Euro, sie werden vom Land getragen.
„Wir liegen gut in der Zeit mit unserer Aktion“, sagt Gesundheitssenatorin Quante-Brandt. „Eine Grippewelle beginnt normalerweise in den ersten Monaten des Jahres, deshalb soll man nicht zu früh mit der Impfung beginnen, damit der Schutz auch bis März hält.“ Marion Heinschel misst derweil bei einem Mann aus Eritrea die Körpertemperatur. „36,8 Grad. Alles im grünen Bereich, er kann geimpft werden“, sagt sie und trägt den Namen in ihre Liste ein. An diesem Tag sind es rund 80 Flüchtlinge, die das Angebot des Bremer Gesundheitsamtes wahrnehmen.
◼ Der Bremer Verein Innere Mission engagiert sich seit Mitte vergangenen Jahres für Flüchtlinge. Als Träger mehrerer Unterkünfte im gesamten Stadtgebiet kümmern sich die meist ehrenamtlich Tätigen aktuell um rund 2000 Erwachsene und etwa 200 Minderjährige aus vielen verschiedenen Nationen. Bei Pastor Uwe Mletzko, Vorstandssprecher des Vereins, laufen die Fäden zusammen. In enger Zusammenarbeit mit den Leiterinnen und Leitern der jeweiligen Unterkünfte koordiniert Uwe Mletzko die Unterbringung und Versorgung der Menschen und regelt die bürokratischen Angelegenheiten. Der Verein plant für das kommende Jahr, weitere Flüchtlingsunterkünfte einzurichten. Im Mittelpunkt stehen dabei nach seinen Angaben die Erweiterung des Übergangswohnheims in Walle und die Einrichtung einer Unterkunft in Findorff. Außerdem soll ein Wohnheim in Osterholz-Tenever ausgebaut werden. (cm)
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