
Der deutsche Islamist Harry S. hat vor Gericht und in zahlreichen Interviews offenbar gelogen. Nach gemeinsamen Recherchen der ZDF-Sendung "Frontal 21" und der Washington Post war er an mehreren Gräueltaten des Daesch aktiv beteiligt.
In einem bisher unveröffentlichten Video mit der Ermordung von sieben Gefangenen auf dem Marktplatz der Stadt Palmyra ist deutlich zu sehen, wie der Deutsche seine Pistole zieht, durchlädt und auf die Opfer zielt. Obwohl der eigentliche Schuss von einer anderen Person verdeckt wird, gehen Waffenexperten davon aus, dass S. gefeuert hat. Als der Blick auf den Daesch-Kämpfer aus Deutschland wieder frei wird, steckt er die Pistole wieder zurück in sein Schulterholster.
Das Video, das das ZDF und die Washington Post von einer Quelle mit Verbindungen zum Daesch erhielten, zeigt auch, wie Harry S. kurz vor der Erschießung eines der Opfer in die Reihe mit den anderen zwingt. Bisher hatte der 28-jährige Bremer in Vernehmungen und Interviews eine unmittelbare Tatbeteiligung bestritten. Er sei nur dabei gewesen, habe für einen Propagandafilm eine Fahne getragen, sich aber ansonsten völlig passiv verhalten. Diese Aussagen sind durch das Video widerlegt, in dem S. auch gemeinsam mit anderen Kämpfern den Treueeid auf den selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi ablegt und bei der Fahrt durch Palmyra Daesch-Parolen skandiert.
Der Anwalt von S. zeigte sich von den neuen Vorwürfen überrascht. Er konfrontierte seinen Mandanten am heutigen Dienstag mit einem Standbild aus dem Video. Danach sagte Udo Würtz in einem Interview mit dem ZDF und der Washington Post: "Ich bin nicht autorisiert, eine Erklärung abzugeben." Auf die Nachfrage, ob Harry S. weiterhin sein Mandant sei, antwortete Würtz: "Ich bin nach wie vor der Anwalt von Harry S."
Harry S. wurde im Juli 2016 für die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu drei Jahren Haft verurteilt. In seinem Verfahren und in zahlreichen Interviews, darunter auch mit dem ZDF, hatte er behauptet, der Daesch habe Hunderte von Terroristen nach Westeuropa eingeschleust, damit sie dort Terroranschläge verüben. Weil der Syrien-Rückkehrer umfassend ausgesagt hatte, bekam er eine geringere Freiheitsstrafe als die vier bis sechs Jahre, die in solchen Fällen eigentlich vorgesehen sind.
Die neuen Erkenntnisse wecken nun Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Nach Angaben deutscher Behörden, denen das Videomaterial nicht vorliegt, zeige der Fall S., wie schwierig es sei, möglichen Heimkehrern des Daesch eine unmittelbare Beteiligung an Gräueltaten nachzuweisen. Sollten die Vorwürfe belegbar sein, müsse der Islamist mit einem weiteren Prozess rechnen.
Darüber hinaus will die amerikanische Bundespolizei FBI Harry S. als Zeugen vernehmen, wie ZDF und Washington Post erfuhren. Ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen ist bereits in Deutschland eingetroffen.(wk/ots)
Der WESER-KURIER verwendet den Begriff "Islamischer Staat" nicht, weil diese Terrorgruppe weder religiös motiviert noch ein Staat ist. Wir sprechen wie ihre Gegner von Daesch.
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