
Wenn eine Bremer Schülerin in der Schule einen Vortrag hält, dann geht es oft nur um ihre Präsentationskompetenz. Es geht darum, wie sie ihr Poster oder ihre Präsentation gestaltet hat, ob sie frei spricht und Blickkontakt hält. Es geht jedoch nicht darum, ob sie die Fakten richtig darstellt oder das Thema verstanden hat. Das Vortragen steht im Mittelpunkt – nicht der Inhalt oder dessen Sinn.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert diese Art des Schulunterrichts. Sie befürchtet, den Schülern werde so zu wenig Wissen vermittelt. Es geht um die sogenannte „Kompetenzorientierung“. In Bremen werden Schüler ab der ersten Klasse anhand von Kompetenzrastern bewertet. Diese wurden von der Bildungsbehörde und dem Landesinstitut für Schule (Lis) entwickelt.
Viele Teilkompetenzen bei bestimmten Fähigkeiten
Bestimmte Fähigkeiten, wie zum Beispiel „Lesen und Umgang mit Texten“, werden aufgeschlüsselt in viele Teilkompetenzen, die hierarchisch aufgebaut sind. Im Falle des Lesens wäre eine Basiskompetenz zum Beispiel, wenn ein Kind Symbole wiedererkennen kann. Dann geht es immer weiter bis hin zum Lesen und Verstehen von ganzen Texten. Im Zeugnis zeigen Kreuze im Kompetenzraster an, wie weit das Kind sich entwickelt hat.
Nach Ansicht von Marion Pollmanns, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Flensburg, droht dadurch ein Qualitätsverlust. Beim vierten Zukunftsforum Lehrerbildung des GEW-Landesverbands Bremen hält sie einen Fachvortrag, in dem sie ihre Kritik begründet. Wenn nur noch Kompetenzen unterrichtet würden, verlören die Fachinhalte an Bedeutung, so Pollmanns.
„Es wird nicht gefragt, was der Schüler am Ende wissen soll – nur danach, was er können soll.“ Das Inhaltliche sei zweitrangig geworden, sagt auch Elke Suhr, Lehrerin aus Bremerhaven. Stattdessen würden Methoden unterrichtet. Diese Methoden seien zwar auch wichtig, sie sollten aber keinen Vorrang vor dem Unterrichtsstoff bekommen.
Erziehung zu mündigen Bürgern erwünscht
Wissen in bestimmten Bereichen, zum Beispiel über die Geschichte des Faschismus, sei unentbehrlich, betont GEW-Vorstandssprecher Bernd Winkelmann. „Wir wollen, dass Menschen zu mündigen Bürgern erzogen werden. Die Kompetenzorientierung stellt keine Zusammenhänge her.“ Diese Art der Bildung befähige die Schüler nicht dazu, sich selbst ein Urteil zu bilden.
Die Lehrer seien aber gezwungen, die Kompetenzen zu unterrichten, weil sie am Ende die Kreuze im Kompetenzraster setzen müssen – und ein Zeugnis sei schließlich ein ernsthaftes Dokument, bei dem man nicht einfach „tricksen“ könne, so Winkelmann.
Auch für die Lehrerausbildung hat die Kompetenzorientierung weitreichende Folgen. Bereits beim Zukunftsforum 2015 hatte die GEW sieben konkrete Forderungen für eine bessere Ausbildung verfasst. Neben mehr Stellen in Bremen und Bremerhaven, um die Inklusion erfolgreich umzusetzen, forderte die Gewerkschaft damals mehr Freiräume für angehende Lehrer. Diese sollten mehr Zeit haben, ihre Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage zu reflektieren.
Qualität der Lehrerausbildung sinkt
Die GEW befürchtet, dass die Qualität der Lehrerausbildung durch die Kompetenzorientierung weiter sinkt. Wenn Schüler nach Kompetenzrastern unterrichtet würden, müssten auch die Lehrkräfte nicht mehr so viel wissen, sagt Lehrerin Elke Suhr. „Wenn ich meine Arbeitsblätter und die Lösungen dazu habe, ist es egal, ob ich in dem Fach ausgebildet bin.“
Die niedrigeren Anforderungen machen also die Einstellung von weniger gut qualifizierten Lehrkräften möglich – ein Instrument, zu dem die Politik gerade jetzt greift, um dem Lehrermangel in Bremen zu begegnen. Zu Beginn des Schuljahres konnten in Bremen 38 Lehrerstellen nicht besetzt werden, in Bremerhaven waren es 40.
Nach Angaben der GEW unterrichten derzeit mehr als 500 Vertretungslehrkräfte an Bremer Schulen, die ihre Ausbildung noch nicht beendet haben. Die Bildungsbehörde kündigte zudem weitere Erleichterungen für Quereinsteiger an, zum Beispiel ein Referendariat in Teilzeit neben dem Beruf.
Ein falscher Weg in der Kompetenzorientierung
Der Lehrermangel spitze die Situation zu, sagt Bernd Winkelmann. Er mache sichtbar, dass mit der Kompetenzorientierung schon vor Jahren ein falscher Weg eingeschlagen wurde. Die GEW will verhindern, dass der Beruf des Lehrers dauerhaft an Professionalität verliert.
„Wir brauchen eine neue Perspektive für die Lehrerausbildung jenseits der Kompetenzorientierung; eine klare Priorisierung von Inhalten“, so Winkelmann. Die Weichen dafür könne man jedoch nur langfristig stellen. Der akute Lehrermangel müsse natürlich bekämpft werden.
Quereinsteiger müssten aber so gut wie es nur geht qualifiziert und die Arbeitsbelastung der Lehrer müsste gesenkt werden. „Die Politik ist in der Verantwortung“, sagt Winkelmann. Denn schließlich, wie Marion Pollmanns es ausdrückt, sollte kein Lehrer nur der Testvorbereiter oder Arbeitsblattausteiler sein.
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Wie bei den Waldbränden in der Lüneburger Heide 1975.