
Zur Bremer Eiswette gehört nicht nur die Eisprobe, sondern auch das Stiftungsfest. Über die Höhepunkte der Traditionsveranstaltung sprechen Patrick Wendisch und Jürgen Albrecht im Interview mit dem WESER-KURIER.
Herr Wendisch, Herr Albrecht, Sie sind beide seit vielen Jahren bei der Eiswette dabei. Was war ein echter Höhepunkt in all den Jahren?
Patrick Wendisch: Das war für mich mein erstes Jahr, 1984. Prinz Louis Ferdinand von Preußen hat die Deutschland/Bremen-Rede gehalten, und Kurt Rossa, ehemaliger Bremer Staatsrat und Oberstadtdirektor von Köln, hielt die Gäste-Rede, die erst am Schluss des Festes kommt. Rossa hatte an dem Abend gemerkt, dass er die vorbereitete Rede gar nicht halten konnte, weil sie viel zu steif und zu inhaltsträchtig war. Dann hat er kurzerhand in der Pause die Rede umgeschrieben.
Jürgen Albrecht: Ein besonderer Moment war für mich, als Herr Steinbrück als Redner kurzfristig absagen musste und innerhalb von 24 Stunden Herr Tiefensee einsprang. Der ging ans Podium und rief „Männer!“. Da hatte er den ganzen Saal hinter sich.
Was fällt Ihnen noch ein?
Wendisch: Als wir den Herausgeber der „Zeit“, Theo Sommer, im Januar 1989 da hatten, hielt er eine bemerkenswerte Rede. Er sagte, dass wir noch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ein geteiltes Deutschland haben würden. Und keine neun Monate später fiel die Mauer. Als er einmal darauf angesprochen wurde, sagte er. „Oh, erinnern Sie mich nicht daran.“ Das waren geschichtsträchtige Zeiten.
Gibt es auch etwas, was Sie in Ihrer Position als Präsident aus den Reden mitgenommen haben?
Wendisch: Ralf Dahrendorf bediente 1995 in seiner Rede die Bremer Seele. Er war Dekan an der britischen Eliteuniversität Oxford, ein Alt-68er, Professor aus einer liberalen Szene. Dahrendorf erzählte, dass die Oxforder die Universität Cambridge immer nur „the other place“ (der andere Ort) nannten. Das tat er dann in der Rede bezogen auf Hamburg auch. Ich habe es übernommen und in Reden immer von Hamburg als „die andere Hansestadt“ gesprochen.
Was sind berührende Momente, an die Sie zurückdenken?
Albrecht: Ein berührender Moment ist immer, wenn die Jubilare auf die Bühne kommen, die schon 25 oder 50 Jahre dabei sind. Sie tun sich manchmal schwer, die Bühne zu betreten, und sind trotzdem begeistert, wieder dabei zu sein.
Gab es auch Zwischenfälle?
Albrecht: Es gab da ein Erlebnis mit Hellmuth Karasek. Der hielt in einem Jahr die Gästerede und war offensichtlich überhaupt nicht vorbereitet, was wahnsinnig enttäuschend für alle Beteiligten war. Das war maßlos peinlich.
Was macht man denn, wenn man im Publikum sitzt und bemerkt, dass eine Rede total schief geht? Bewahrt man dann Haltung?
Wendisch: Dann tröstet man sich mit einem Glas Rotwein mehr, würde ich sagen. Aber wenn mal was schief geht, dann ist es eben auch der Zeitgeist. Das Schöne ist, dass die Gäste die Eiswette immer in guter Erinnerung behalten.
Eiswette ist nur einmal im Jahr. Wie begegnen man Ihnen als Eiswett-Mitglied den Rest des Jahres?
Wendisch: Wir haben viele Zuschriften. Bei der letzten Eiswette kam jemand aus Bayern zu mir, fiel mir fast um den Hals und sagte: „Ich hätte mir ja im Traum nicht vorstellen können, dass es außerhalb von Bayern eine solche Veranstaltung gibt.“ Wenn man sie selber jedes Jahr ausrichtet, verliert man den Blick dafür. Aber wenn man so ein Feedback bekommt, das motiviert richtig. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Gibt es Gäste, die zum ersten Mal kommen und sich vorher bei Ihnen über Verhaltensregeln informieren?
Wendisch: Dafür haben wir ja das berühmte Merkblatt entwickelt. Wenn ein neuer Gast sich noch mal einnorden möchte, stehen im Merkblatt auf zwei eng beschriebenen Seiten, an was er sich halten muss und was Rechte und Pflichten des Gastes sind. Damit da keine Überraschungen passieren.
Albrecht: Es gibt auch Anfragen von Gästen, die zum ersten Mal da sind, und die Fragen, was man eigentlich in diesen acht Stunden Feierlichkeiten macht. Und dann vergeht für alle die Zeit wie im Flug.
Bestehen denn so viele Unklarheiten?
Wendisch: Dieses Jahr habe ich sogar eine Absage bekommen von jemandem, der noch nie bei der Eiswette war und dann sagte, acht Stunden am Weserdeich zu stehen und ein Glas Glühwein abzukriegen, dazu habe er keine Lust. Da muss man den Unterschied zwischen den Zeremonien erklären. Einige Menschen haben auch schon zum „Eisbein“ oder zur „Eiszeit“ zugesagt. Das kommt eben mal vor.
Die Eiswettgesellschaft oder die Eiswette sind ja immer sehr geheimnisumwoben. Warum eigentlich?
Wendisch: Das ist gar nicht geheimnisumwoben – uns gibt es ja eigentlich gar nicht. Wir sind kein Verein, wir sind keine öffentliche Gesellschaft. Wir sind eine alt gewordene Kohl-und-Pinkel-Fahrt, bei der wir die Wanderung nicht mehr machen, aber ein schönes Fest feiern. Wir haben auch keine geschriebenen Regeln, wir haben keine Satzung und sind zu nichts verpflichtet.
Aber man weiß nie, was da hinter verschlossenen Türen passiert.
Wendisch: Vielleicht finden manche es merkwürdig, dass es uns überhaupt noch gibt, weil wir nur uns selbst verpflichtet sind. Aber daraus entwickeln wir eine große Strahlkraft, auch überregional. Uns kennt zwar nicht jeder Postbote, aber gewisse Leute kennen die Eiswette einfach. Das geschieht alles aus der Tradition heraus. Tradition ist eben nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitertragen des Feuers.
Das Gespräch führte Lisa-Maria Röhling.
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