
Wer täglich aus Richtung Oldenburg über die Stephanibrücke fährt, sieht Bremens größte Innenstadt-Baustelle wie in den Bildern eines Zeitrafferfilms. Nach und nach erhebt sich aus einer riesigen Baugrube zwischen Stephanikirche und Weser eine neue Wohnanlage mit sechs Mehrparteienhäusern. 94 Wohnungen sollen bis 2018 dort entstanden sein, wo im Frühjahr 2016 die alte Stephani-Schule abgerissen wurde. Die Firma Tektum investiert auf dem Areal am Fluss rund 30 Millionen Euro, „um etwas Prägendes zu schaffen“, wie Geschäftsführer Jens Renkwitz sagt. „Das wird in meinem Berufsleben wohl einmalig sein.“
Gut möglich. Denn wann verkauft die öffentliche Hand schon mal 4000 Quadratmeter Land in so exklusiver Lage? Wann erhält ein privater Bauherr die Chance, einer Fläche mit 150 Metern Weserufer seinen Stempel aufzudrücken? Renkwitz hatte in der Tat das große Los gezogen, als er nach einer Ausschreibung im Februar 2015 von der städtischen Liegenschaftsverwaltung den Zuschlag für das Grundstück erhielt. Rund ein Dutzend weiterer Bauunternehmen hatte Interesse bekundet, darunter die üblichen Verdächtigen aus der Bremer Immobilienbranche. Für Tektum mag letztlich den Ausschlag gegeben haben, dass das gestalterische Konzept sehr stark auf historische Bezüge setzt. Die geplanten sechs Mehrfamilienhäuser haben die Anmutung jener Packhäuser, die früher das Weserufer der Altstadt prägten. Der Entwurf des Büros Hilmes Lamprecht hebt sich dadurch von manchem ab, was im Rahmen von Ausschreibung und Architektenwettbewerb vorgeschlagen worden war. Einigen Interessenten schwebte vor, die Überseestadt gewissermaßen ins Stephaniviertel zu verlängern. Mit Baukörpern, die quadratisch, praktisch, aber nicht unbedingt gut gewesen wären, zumindest nicht mit der vorhandenen Bebauung harmoniert hätten.
Dass sich der Winter zurzeit noch mild gibt, kommt Jens Renkwitz und Bauleiter Sascha Meyer sehr gelegen. Im Frühjahr und Sommer gingen nämlich nach dem Abbruch der Stephani-Schule einige Wochen ins Land, in denen sie zur Untätigkeit verurteilt waren. Nachdem rund 600 Lkw-Ladungen Schutt und Erdaushub abgefahren worden waren, machten Archäologen in der neun Meter tiefen Grube diverse stadthistorisch interessante Entdeckungen, darunter Reste einer mittelalterlichen Kaimauer. Zeitweilige Stillstände gab es auch durch Bombenfunde. So wurde Ende Juli zur Bombenbeseitigung für einen Tag sogar der Straßen-, Schiffs- und Schienenverkehr in der gesamten Innenstadt lahmgelegt.
Erst im Herbst konnte letztlich mit den Gründungsarbeiten für das Projekt „Vor Stephanitor“ begonnen werden. 319 Pfähle, jeweils acht bis 14 Meter lang und 50 bis 60 Zentimeter dick, wurden in den sandigen Untergrund des Weserufers gerammt. Sie tragen die Sohle und die inzwischen zu drei Vierteln fertige Tiefgarage für 85 Kfz-Stellplätze. 5000 Kubikmeter Beton sind dafür bisher verbaut. Auch vom sogenannten Haus A, einem der beiden zur Stephanibrücke gelegenen Baukörper, sind schon erste Umrisse zu erkennen.
Wer in so bevorzugter Lage wohnen möchte, muss entsprechend tief in die Tasche greifen. Die Quadratmeterpreise für die Wohnungen mit Weserblick beginnen bei 3200 Euro. Das Teuerste, was Jens Renkwitz anzubieten hatte, war ein 250-Quadratmeter-Penthouse für einen deutlich siebenstelligen Betrag. Die Wohnung ist inzwischen längst am Markt untergebracht, genau wie 75 Prozent des gesamten Projekts. Unter den Käufern, so erfährt man vom Tektum-Geschäftsführer, war so manches Oberneulander Ehepaar, das seinen großen Garten gegen eine attraktive City-Lage eintauschte. Auch ein Interessent aus New York griff zu. Gemäß den wohnungsbaupolitischen Vorgaben des Senats zur sozialen Durchmischung von Baugebieten musste Tektum einen kleineren Teil des Bauvolumens für Leute mit schmaler Brieftasche vorsehen. Dieses Haus entsteht in rückwärtiger Lage mit 24 Ein-Zimmer-Appartements. Als Zielgruppe gelten Studenten und Rentner.
Momentan haben auf dem Rohbau noch die Betonbauer und Eisenflechter das Sagen. Deren Anzahl ist überschaubar. „Aber wenn es hier beim Ausbau in die Vollen geht, dann werden hier täglich sicher um die 100 Handwerker unterwegs sein“, schätzt Jens Renkwitz.
Aktuell entsteht zudem eine neue Hochwasserschutzwand, die mit einer Höhe von 8,15 Metern über Normalnull etwas weiter aufragt als amtlich vorgeschrieben. Wer etwas Prägendes in die Landschaft stellt, will schließlich nicht vom Blanken Hans erwischt werden.
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