
Ein komplett saniertes historisches Ziegelgebäude mit hohen, geschwungenen Fenstern, dahinter ein weitläufiger Garten: Das ist die alte Zigarrenfabrik in Burgdamm. Hier leben mehr als 20 Erwachsene und Kinder zusammen unter einem Dach. Der jüngste Bewohner des Mehrgenerationenhauses ist noch kein halbes Jahr alt, der älteste 82 Jahre. Hier leben Anwälte und Auszubildende, Buchhändler und Doktoranden, Kinder, Berufstätige und Rentner.
Irmgard Bauer ist 78 Jahre alt und von Anfang an dabei. Die Idee, mit anderen zusammen zu wohnen, wurde ihr konkret wichtig, als sie 60 war. Viele Jahre hatte sie bis dahin mitten in der Stadt gelebt, im Viertel. Doch die Idee, mit Menschen verschiedenen Alters unter einem Dach zu wohnen, interessierte sie. „Ich mache nicht gerne was alleine, ich freue mich, wenn jemand mit mir ins Kino, Konzert oder zum Kaffeesieren geht“, sagt Irmgard Bauer.
Ideal für Kinder
Jetzt gießen Hausbewohner ihre Blumen, wenn sie unterwegs ist, oder versorgen ihren Hund, wenn sie ihn einmal nicht mitnehmen kann, erzählt sie. „Das Wohnprojekt ist wie ein Netz, das uns im Alter auffängt.“ Als sie einzog, sei ihr bewusst gewesen, dass dies ihre letzte Wohnung sein würde – es war kein einfacher Schritt, sagt die Rentnerin. Bereut hat sie es nicht. „Manchmal kostet es viel Kraft“, sagt sie. „Aber es lohnt sich.“
Gerade sitzt sie mit den Hausbewohnerinnen Renate Landen-Valk (71) und Kim-Nadine Zientek (24) im Garten. Nadine Zientek hat zwei kleine Kinder und macht eine Ausbildung zur Bürofachkraft. „Mein Mann arbeitet viel – dadurch, dass ich hier im Haus Unterstützung habe, kann ich meine Ausbildung gut machen“, erzählt die junge Frau. „Es ist immer jemand da, und die Kinder können durchs Gebäude laufen und im Garten spielen, ohne dass es jemanden stört.“
"Wenn wir unsere Ruhe haben wollen, müssen wir auf den Friedhof gehen"
Sie werde oft von anderen Müttern angesprochen, die fragen, ob eine Wohnung im Haus frei werde, erzählt die 24-Jährige. „Darum, hier zu wohnen beneiden mich schon viele.“ Einige Freunde würden sich aber auch vor den Verpflichtungen einer Hausgemeinschaft fürchten, sagt sie: „Aber man muss hier ja nicht alles zusammen machen.“
Und brauchen nicht gerade die älteren Bewohner manchmal ihre Ruhe, ist es ihnen nie zu viel? „Es hat jeder seine eigene Wohnung, man kann die Tür zumachen“, sagt Irmgard Bauer. Sie lacht und fügt halblaut hinzu: „Und ich sage oft: Wenn wir unsere Ruhe haben wollen, müssen wir auf den Friedhof gehen – es hält fit, sich mit neuen Dingen auseinanderzusetzen.“
"Ich war neugierig"
„Ich bin jetzt 36 Jahre alt, wenn man den Altersschnitt aller Bewohner bildet“, sagt Renate Landen-Valk (71) vergnügt. „Eine Generation allein schmort im eigenen Saft, da werden nur die Macken gezüchtet.“ Sie lebt mit ihrem 82-jährigen Mann in der Zigarrenfabrik. Das Ehepaar ist für das Wohnprojekt aus Aachen nach Bremen gezogen.
Eine andere Bewohnerin, die 79-jährige Marlies Linde, wohnte zuvor ganz in der Nähe – sie verkaufte ihr Haus an der Lesum, um in die Zigarrenfabrik zu ziehen. „Es war mir wichtig, im Ort zu bleiben, und ich war neugierig“, sagt Marlies Linde.
Werkstatt, Fitnessraum, Tischtennisplatte
Die Hausbewohnerinnen zeigen die Gemeinschaftsräume: Das Bewohnercafé mit seinen langen Tischen, einem Klavier und einer großen Bücherwand. Dort trifft sich eine Doppelkopf-Runde, dort wird ab und zu an Feiertagen zusammen gefrühstückt oder Geburtstag gefeiert. „Alles kann, nichts muss“, sagt Irmgard Bauer. Neben dem Café liegt die Gemeinschaftsküche mit einer enormen Vielzahl von Thermoskannen und einem riesigen Holzbrett auf einer Anrichte im Zentrum des Raumes. Einmal im Monat kochen zwei Leute für das ganze Haus, erzählt Irmgard Bauer.
Im Untergeschoss gibt es zudem eine Werkstatt und einen Fitnessraum mit Crosstrainer und Tischtennisplatte. „Über alles, was in die Gemeinschaftsräume kommt, muss abgestimmt werden“, sagt Renate Landen-Valk. Für solche Absprachen kommen die Bewohner zweimal im Monat zusammen. Mehrheitsentscheidungen greifen – wer nicht zum Treffen kommt, kann nicht mit abstimmen. Zuständigkeiten werden verteilt: Manche Bewohner sind dafür verantwortlich, die Pflanzen zu gießen, andere halten die Gemeinschaftsküche sauber. Es gibt eine Kasse, in die alle einzahlen, die nicht im Garten mitarbeiten. Davon wird ein Gärtner finanziert.
Bisher nur wenige Orte
Im Haus gibt es insgesamt 17 in sich abgeschlossene Mietwohnungen, von Ein-Personen-Apartments bis zu Drei-Zimmer-Wohnungen. Zuletzt sind zwei neue Familien eingezogen, eine Familie aus Bremen und eine aus Afghanistan. Wenn Wohnungen frei werden, entscheiden die Bewohner gemeinsam, wer einzieht.
Gemeinschaftliches Wohnen im Alter – das gibt es so in Bremen bisher nur an wenigen Orten. Die Bewohner des Mehrgenerationenhauses in der alten Zigarrenfabrik sind in diesem Bereich Vorreiter: Ihr Wohnprojekt stand bereits Pate für andere Mehrgenerationenhäuser. Viele Gruppen, die ein Wohnprojekt gründen wollen, scheitern letztlich daran, ein geeignetes Gebäude zu finden oder zu bauen. Im Fall der Zigarrenfabrik war das Haus die Grundlage für alles, was dort entstanden ist. Das Gebäude gehört dem Beschäftigungsträger Bras, der als Vermieter auftritt.
Wohnungen für fitte Senioren
2007 zogen die ersten Bewohner ein. In Zukunft werden weitere Nachbarn auf dem Gelände hinzukommen: Direkt neben der Zigarrenfabrik steht eine alte Scheune, die abgerissen werden soll. An dieser Stelle will die Heimstiftung im kommenden Jahr ein neues Haus bauen. Darin soll eine Pflege-WG mit Betreuung für zehn ältere Menschen entstehen – und im Obergeschoss zehn Wohnungen für fittere Senioren, die noch alleine zurechtkommen. „Was die Selbstverwaltung betrifft, können wir vom Wohnprojekt in der alten Zigarrenfabrik lernen“, sagt Alexander Künzel, Chef der Bremer Heimstiftung.
Es sei vorstellbar, dass Bewohner der geplanten Einrichtung ebenfalls selbst entscheiden, wer dort einzieht und wo sie im Alltag punktuell Hilfe in Anspruch nehmen wollen, anstatt auf eine Rundum-Betreuung zu setzen. „Immer mehr Leute sind noch lange rüstig und wollen selbst Verantwortung übernehmen“, so Künzel. Es sei auch denkbar, dass Pflegekräfte der Heimstiftung ältere Bewohner im Mehrgenerationenhaus nebenan ambulant unterstützen.
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