
Die umstrittene Entscheidung eines Chefarztes in einer Klinik im Landkreis Lüchow-Dannenberg hat bundesweit für Schlagzeilen und eine Debatte über Schwangerschaftsabbrüche gesorgt. Darüber, ob ein Arzt das Recht hat, aus persönlichen Gründen Abtreibungen für eine ganze Klinik abzulehnen. Und darüber, ob die Haltung des Mediziners Indiz für ein neues Klima im Umgang mit Abtreibungen ist. Diese Sorge treibt die Geschäftsführerin von Pro Familia um. Bei Pro Familia können sich Frauen vor einem Schwangerschaftsabbruch beraten und ihn im Medizinischen Zentrum auch vornehmen lassen.
„Wir haben in Bremen ein liberaleres Klima. Und ein Arzt, der hier so handeln würde wie in der niedersächsischen Klinik, würde bei uns ziemlich ins Kreuzfeuer geraten“, sagt Pro-Familia-Geschäftsführerin Monika Börding. Über die Äußerungen des Arztes sagt sie: Dass 2017 Frauen öffentlichkeitswirksam die Schuld daran gegeben wird, dass sie in eine solch emotional und psychisch belastende Situation gekommen sind, sei höchst bedenklich. „Ich habe die Sorge, dass dies Mainstream werden könnte.“ Für das Recht auf Selbstbestimmung von Frauen sei jahrzehntelang gekämpft worden.
Darum geht es im Einzelnen: Der Chefarzt der Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg hatte abgelehnt, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen – diese Entscheidung traf er nicht nur für sich persönlich, sondern auch für seine Kollegen. Die Klinikleitung stand zunächst hinter dieser Entscheidung. Die Begründung des Arztes: Als bekennender Christ könne er den Eingriff nicht mit seinem Glauben vereinbaren.
Arzt verbietet Eingriff aus moralischer Verantwortung
Abtreibungen würden gegen seine „Maxime des Nicht-Tötens“ verstoßen, nach der er sein ganzes Leben gehandelt habe, sagte er dem NDR. Der Gynäkologe sagte auch: Er habe die Erfahrung gemacht, dass ungewollt Schwangere nicht verhütet hätten und dass ihre Situation doch Kinder zulasse. Seinen Mitarbeitern verbiete er den Eingriff aus moralischer Verantwortung, sagte er in der Tageszeitung taz.
Dafür bekamen der Chefarzt und die Klinikleitung massive Kritik von Vereinen, Beratungsstellen und Politikern. Es könne nicht sein, dass eine persönliche Gewissensentscheidung als Verhaltensvorschrift für eine ganze Klinik gelte, sagte Landrat Jürgen Schulz. Die Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik ist das einzige Krankenhaus in dem Landkreis, betroffene Frauen müssten in andere Landkreise ausweichen. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) drohte mit Geldentzug. Inzwischen hat sich der Klinikbetreiber Capio eingeschaltet und betont, dass auch weiterhin Schwangerschaftsabbrüche von anderen Ärzten vorgenommen würden, der Chefarzt will die Klinik demnächst verlassen.
Auch in den Bremer Krankenhäusern wird über den Fall diskutiert. Schwangerschaftsabbrüche können in Bremen-Stadt im Klinikum Links der Weser und im Klinikum Nord vorgenommen werden. „Wenn ein Arzt aus persönlichen Gründen keine Schwangerschaftsabbrüche vornehmen möchte, wird das natürlich akzeptiert“, sagt die Sprecherin des Klinikbetreibers Gesundheit Nord (Geno), Karen Matiszick.
Klinik sollte nicht über Entscheidung urteilen
„Dann würden er oder sie in einem anderen Bereich eingesetzt. Die Frauen, die wegen einer Abtreibung in die Klinik kommen, hatten vorher eine Beratung. Wir übernehmen die medizinische Versorgung. Sie befinden sich bereits in einer schwierigen Situation.“ Es sei nicht die Rolle der Klinik, über die Entscheidung zu urteilen. „Das steht uns nicht zu.“
Im Evangelischen Diakonie-Krankenhaus (Diako) in Gröpelingen werden keine Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. In Deutschland gebe es kein Recht auf Abtreibung, kein Arzt könne zu dem Eingriff verpflichtet werden. „Es existiert ein innerer Konflikt für Ärzte“, sagt die Chefärztin der Frauenklinik, Karen Wimmer. „Wir sind Ärzte geworden, um Leben zu schenken und zu erhalten und nicht, um es zu beenden. Unabhängig davon wissen wir um die Konfliktsituationen für Frauen, die aus medizinischen, persönlichen oder sozialen Gründen eine ungewollte Schwangerschaft beenden möchten.“
In diesem Sinne würden hilfebedürftige Frauen unterstützt, indem das Diako sie an Ärzte vermittele, die bereit seien, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Neben den Kliniken und dem Medizinischen Zentrum von Pro Familia können sich betroffene Frauen auch an niedergelassene Gynäkologen wenden.
Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland rechtswidrig
In Bremen gab es laut Pro Familia im vergangenen Jahr bis Ende des dritten Quartals 1755 Schwangerschaftsabbrüche. 2015 lag die Zahl bei 2500, sie war im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, bundesweit hingegen gesunken. Monika Börding erklärte den Anstieg unter anderem damit, dass mehr Frauen aus dem niedersächsischen Umland zum Schwangerschaftsabbruch nach Bremen gekommen seien. Kliniken im Nachbar-Bundesland seien in katholische Trägerschaft übergegangen, vorher seien dort auch Abtreibungen vorgenommen worden. Ein weiterer Grund könne der Zuzug geflüchteter Frauen sein, unter denen sich viele befänden, die auf der Flucht vergewaltigt worden seien.
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland zwar rechtswidrig, unter bestimmten Voraussetzungen bleibt er aber straffrei. Bis heute ist die Abtreibung unter Paragraf 218 des Strafgesetzbuches geregelt und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Frauen können eine Schwangerschaft beenden, wenn sie sich in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle beraten lassen, mindestens drei Tage vor dem Eingriff.
Der Abbruch muss in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen erfolgen, dem Arzt muss die Bescheinigung über die Beratung vorgelegt werden. Ein Recht auf Abtreibung gibt es nicht. Aber: Paragraf 19 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes schreibt ein medizinisches Angebot vor, in dem Abtreibungen stationär und ambulant vorgenommen werden können. Die Länder müssen dies gewährleisten, aber nicht jedes Krankenhaus.
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