
Bremen ist nicht lebenswert – zumindest für Frauen. Sie werden schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen, weniger Bremerinnen haben einen Job, dafür sind mehr Rentnerinnen als Rentner arm. Das hat eine Studie des Focus-Magazins deutlich gemacht. Das Magazin untersuchte anhand von vier Kriterien, wie gut Frauen in 77 großen Städten leben, gewichtet nach Job, Einkommen, Kriminalität und Spaß. Zwei der Schlusslichter: Bremen, auf Platz 69. Bremerhaven landet auf Platz 75.
Für Ulrike Hauffe ist das keine Überraschung. Die Landesfrauenbeauftragte kennt die Probleme der Bremerinnen. Ihr Team in der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) berät mehr als 50 Frauen jeden Monat. Die Gespräche drehen sich immer wieder um drei Kernthemen: Um Familienfragen wie Scheidung, um Gewalt in der Beziehung, und um Probleme am Arbeitsplatz. Mobbing, sexuelle Übergriffe auf der Arbeit, ungleiche Bezahlung und Konflikte wegen Schwangerschaft und Geburt stehen an erster Stelle. Hauffe kennt die Zahlen, die kein gutes Bild von Bremen zeichnen. Nur 64 Prozent der Bremerinnen arbeiten, viele davon in Minijobs oder Teilzeit. Und: Sie verdienen mit einer Vollzeitstelle ein Viertel weniger, gemessen am Gehalt ihrer Kollegen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Fehlende und eine wenig flexible Kinderbetreuung spielten eine Rolle. Eine andere die Struktur der Wirtschaft, wie Hauffe erklärt. „Eine Ursache für die schlechten Indikatoren für Frauen ist die bremische Wirtschaftsstruktur mit ihrem hohen Anteil an produzierendem Gewerbe, in dem traditionell wenige Frauen arbeiten.“ Bremen ist ein Industriestandort, der sich auf Luft- und Raumfahrt sowie maritime Wirtschaft und Logistik spezialisiert – da sind sich sowohl Ulrike Hauffe als auch Holger Bruns einig.
Holger Bruns ist Sprecher für Martin Günthner, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. „Klar, es gibt nicht so viele Frauen in der Fabrikhalle“, sagt Bruns. „Aber das ist eine strukturelle Besonderheit Bremens, nicht frauenfeindlich.“ Die Lücke in der Erwerbsquote zwischen Männern und Frauen habe sich in den letzten Jahrzehnten geschlossen. Schaut man auf die Statistik, stimmt das erstmal. Seit siebzig Jahren steigt der Anteil der Frauen, die arbeiten. Aber: Gleichzeitig sind seitdem auch mehr Männer arbeitslos geworden, die Werte gleichen sich so an. Dazu kommt: Drei von vier Frauen arbeiten nur in Teilzeit. Bei den Männern ist es nur jeder Dritte.
Ulrike Hauffe sieht deswegen den Senat in der Pflicht, den Frauenanteil in diesen Wirtschaftsbereichen zu erhöhen. „Dass sie hier gezielt Zugänge bekommen und Betriebe mit bisher männlich dominierter Belegschaft sich öffnen, ist in meinen Augen wesentliche Aufgabe von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.“ Konsequenzen wird der Senator für Wirtschaft allerdings nicht aus der Studie ziehen. „Sie wird deutlich überbewertet, es gibt keinen Anhaltspunkt, unsere Politik zu ändern“, sagt sein Sprecher. „Man muss das Ganze sehen. Wirtschaft meint nicht nur Industrie, sondern auch Wissenschaft und Dienstleistungen, die damit zusammen hängen, Anwaltskanzleien, Versicherungen oder Marketing.“ Was aber bleibt, ist, dass das Land Bremen im Dezember 2013 mit 10,4 Prozent bundesweit eine der höchsten Arbeitslosenquoten von Frauen hat. Das geht aus dem Bericht der ZGF hervor, den sie alle zwei Jahre dem Bremischen Senat vorlegt. Nicht überbewertet, aber zumindest kritisiert wird von beiden der „Spaß-Faktor“. Für die Studie wurden neben Stichtagswerten aus Kriminalstatistiken oder Zahlen der Bundesagentur für Arbeit auch Kriterien wie Einkaufsziele pro Quadratkilometer, Shops für Frauen, Buchhandlungen oder die Anzahl der Yoga-Lehrerinnen und Lehrern einberechnet. „Lebensqualität für Frauen auf Shopping und Yoga zu konzentrieren, ist eine meiner Meinung nach zu begrenzte Sicht“, sagt Ulrike Hauffe.
Freizeitangebote und Arbeit sind nicht die einzigen Themen, die nach dem Focus-Magazin eine Aussage über die Lebensqualität geben. Es geht auch darum zu beurteilen, wie sicher Frauen in Bremen leben. Wie viele werden Opfer einer kriminellen Straftat, zum Beispiel Taschendiebstahl? Wie viele werden vergewaltigt oder sexuell genötigt? In der Einzelbewertung liegt die Stadt Bremen auf dem drittletzten Platz. Kein Wunder: Im Februar war bekannt geworden, dass nur vier Prozent der mutmaßlichen Sexualstraftäter verurteilt werden. Nun haben sich der Senator für Inneres und Justiz sich auf Maßnahmen geeinigt, um mehr Täter zu verurteilen. Unter anderem sollen Zeugenaussagen mit Video- und Tongeräten mitgeschnitten werden. Bremen orientiert sich an Justizminister Heiko Maas' Vorschlag, eine Sexualstraftat künftig auch dann als Vergewaltigungzu werten, wenn eine Frau aus Angst sich nicht gewehrt hat. Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ wird rechtlich verankert. Für Ulrike Hauffe ist das „längst überfällig.“
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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