
Die Gesundheitsversorgung ist kein erklärtes Thema von Bremer Politikern, mit dem sie Wahlkampf machen. Zugegeben: Große Skandale wie 2011 der Tod dreier Frühgeborener nach Infektionen mit multiresistenten Keimen im Klinikum Bremen-Mitte sorgen derzeit nicht für Schlagzeilen. Alles in Ordnung also in den bremischen Arztpraxen und Krankenhäusern, in denen Patienten behandelt werden? Nein.
Es gibt Lücken, Defizite und Verbesserungspotenzial bei der Versorgung. Dabei handelt es sich nicht nur um kleine Ärgernisse, sondern durchaus um strukturelle Probleme, die sich ganz konkret auf die Gesundheit der Bremerinnen und Bremer auswirken können. Und die von der Politik sowie Ärzteverbänden erkannt wurden – deren konkrete Lösung aber wie so oft in Graben- und Machtkämpfen der genannten Akteure untergeht. Denn auch, wenn manche Defizite grundsätzlich auf bundesgesetzlicher Ebene behoben werden müssten, könnte es erste und hilfreiche Lösungsansätze vor Ort geben.
Patienten müssen Monate warten
Zum Beispiel bei den Wartezeiten auf eine Psychotherapie. Ein lange erkanntes und belastendes Problem für die Patienten. Seit Jahren zeigt die Kurve bei den Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden steil nach oben. Laut Gesundheitsreport 2014 der Krankenkasse DAK liegen sie in Bremen mit einem Anteil von 17,2 Prozent auf Platz zwei hinter Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (21,4 Prozent). Und diejenigen, die erkranken, fallen lange aus. Bei Depressionen sind es nach einer Aufstellung der Techniker-Krankenkasse im Schnitt 64 Tage. Leidens- und Behandlungsdruck sind also groß. Die Realität ist aber eine ganz andere: Betroffene telefonieren sich durch die Gelben Seiten, klappern eine Psychotherapie-Praxis nach der anderen ab und bekommen in der Regel zu hören: „Alles belegt, in einigen Wochen vielleicht.“ Viele geben verzweifelt auf.
Nach Angaben der Bremer Psychotherapeutenkammer müssen Patienten im Schnitt drei Monate auf ein Erstgespräch und sogar sechs Monate auf Therapiebeginn warten. Und das, obwohl das kleinste Bundesland laut offizieller Bedarfsplanung sogar als deutlich überversorgt gilt. Danach gibt es mehr Psychotherapeuten, als eigentlich gebraucht werden. „Diese auf Bundesebene festgelegte Planung ist völlig veraltet und basiert auf Zahlen und Versorgungsstand aus den Neunzigerjahren“, sagt der Bremer Kammerpräsident Karl Heinz Schrömgens. „Ein Dilemma und tragisch für die Patienten.“ Doch die Bedarfsplanung gilt, weshalb die Lösung „Mehr Psychotherapeuten zulassen“ keine Option ist. Ganz im Gegenteil sogar, wie Schrömgens befürchtet.
Denn das neue Versorgungsstärkungsgesetz aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), das im Sommer kommen soll, könnte das Problem sogar noch verschärfen. Danach sollen Arzt- und Psychotherapie-Praxen in überversorgten Gebieten – das sind vor allem die Städte – bei Aufgabe nicht mehr nachbesetzt werden. Schrömgens: „Das wäre eine Katastrophe und würde die Wartezeiten noch verlängern.“ Die sind schon jetzt für Patienten in einer akuten Krise, die dringend Hilfe benötigen, tragisch. Allerdings gibt es einige Lösungsansätze, die das Problem zumindest abmildern könnten.
Zum Beispiel durch eine zentrale Koordinierungsstelle, an die Psychotherapeuten freie Kapazitäten melden und so den Patienten das Abtelefonieren der Praxen ersparen würde. Das fordert unter anderem die Unabhängige Patientenberatung Bremen (siehe Interview unten). Ein anderer Lösungsansatz ist derzeit von der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KVHB) zumindest in der Diskussion: „Wir wollen eine Stelle einrichten, an die sich Patienten für ein Erstgespräch wenden können“, kündigt KVHB-Chef Jörg Hermann an. „Dort soll geklärt werden, ob und welche Art von Psychotherapie notwendig ist. Das soll verhindern, dass Plätze etwa durch eine ,Fehlbelegung’ blockiert werden.“
So komme es auch vor, dass manche Patienten nicht unbedingt und nicht in jedem Fall eine Psychotherapie benötigten. Bei Arbeits-, Ehe- oder anderen Sozialproblemen etwa könnten andere Angebote wie eine Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe helfen. Eine weitere Option, um Wartezeiten zu verkürzen, könnten mehr Modelle bei Therapiedauer- und -häufigkeit sein. Derzeit umfasst eine Kurzzeittherapie 25, eine Langzeittherapie 45 oder 50 Sitzungen. Warum soll es nicht möglich sein, bei einer akuten Krise auch einmal nur wenige Sitzungen anzubieten? Und: Chronisch psychisch Kranke benötigen oft nicht unbedingt eine wöchentliche Langzeittherapie, sondern je nach Bedarf Sitzungen im Monatsturnus oder sogar längeren Abständen. Das sind Lösungsansätze, die zumindest diskutiert und von der Politik offensiv angestoßen werden sollten – auch wenn sie wegen der ärztlichen Selbstverwaltung keine Möglichkeit zum direkten Eingreifen hat.
Aber sie kann die Akteure damit konfrontieren und sie zum Thema machen. Zum Beispiel durch das von Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse, in dem Krankenkassen, Arztverbände und andere Akteure sitzen, und in dem unter anderem solche Versorgungsdefizite auf die Tagesordnung gehören. Auch wenn das Problem nicht strukturell gelöst werden kann – etwa durch mehr Psychotherapeuten – sind dennoch Lösungen vor Ort möglich. Wenn sie gewollt sind.
Ärzte kritisieren neues Gesetz
Wartezeiten sind auch bei Facharztterminen ein Thema. Die Bundesregierung will es mit dem genannten Versorgungsstärkungsgesetz angehen. „Populistisch“, nennt KVHB-Chef Hermann den Vorstoß. Patienten mit einer Überweisung sollen binnen einer Woche einen Termin beim Facharzt bekommen, auf den sie dann nicht länger als vier Wochen warten sollen. Für Termine bei Augen-, Frauen- und Kinderärzten soll für eine Terminvermittlung keine Überweisung nötig sein. Gelingt das nicht, soll die Servicestelle den Patienten zur ambulanten Behandlung an ein zugelassenes Krankenhaus verweisen.
„Das bedeutet, dass die Ärzte Termine für solche Vermittlungen frei halten müssen, was wiederum Wartezeiten im regulären Betrieb bedeutet. Das löst das Problem nicht, im Gegenteil. Außerdem handelt es sich in der Regel um zumutbare Wartezeiten“, so Hermann. „In Städten sind überlange Wartezeiten ohnehin kein so großes Problem wie in ländlichen Regionen, wo es weniger Fachärzte gibt.“ Von der Bremer Politik erhofft sich der KVHB-Vorsitzende, auf Bundesebene das Problem mit den genannten Terminservicestellen aufmerksam zu machen. Und es müsse auch an die Patienten appelliert werden, bevor sie auf eigene Faust zu einem Facharzt gingen, zunächst den Hausarzt zur Abklärung zu konsultieren. Auf diese Weise käme es zu weniger Wartezeiten bei Fachärzten, und in akuten medizinischen Fällen habe der Hausarzt die Möglichkeit, einen schnellen Facharzttermin auszumachen.
Laut einer Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahr 2012 mussten 45 Prozent der Bremer Patienten länger als drei Tage auf einen Arzttermin warten. Der Bundesschnitt lag danach bei 32 Prozent. Die KBV erklärte dies damit, dass es in Großstädten eine höhere Facharztdichte als in Flächenländern gebe, und je spezialisierter ein Arzt sei, desto schwieriger sei eine schnelle Terminvergabe. Beim Hausarzt bekämen Patienten in der Regel auch schneller Termine.
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