
Nahezu regungslos und mit gesenktem Blick lesen die beiden jungen Männer mit, was ihnen vorgeworfen wird. Ihre Augen huschen hin und her, während sie die Zeilen überfliegen, die der Staatsanwalt vorträgt. Immer wieder blättern die beiden synchron eine Seite um, denn die Anklageschrift ist lang: Mehr als eine Viertelstunde dauert es, bis sämtliche Anklagepunkte verlesen sind.
Es geht um Pflastersteine und Steinblöcke, welche die 24- und 25-jährigen Angeklagten nachts auf Fahrbahnen drapiert und so bewusst Menschenleben gefährdet haben sollen. Am Montagnachmittag hat vor dem Bremer Landgericht der Prozess gegen die Angeklagten begonnen. Die Hindernisse sollen sie zwischen August 2015 und November des vergangenen Jahres auf Straßen und Autobahnzubringern in Bremen und Umgebung gelegt oder aus einem rollenden Pkw geworfen haben.
Der 24-Jährige in 22 Fällen, der 25-Jährige gar in 23 Fällen. Bei fast allen sollen sie in Kauf genommen haben, dass es zu schweren Unfällen hätte kommen können, bei denen Menschen ihr Leben hätten verlieren können. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen daher unter anderem versuchten Mord vor.
Der 24-Jährige aus Arsten und der 25-Jährige aus Kattenesch wurden im März dieses Jahres festgenommen (wir berichteten). Eine Polizeistreife war in der Nähe eines Tatorts auf sie aufmerksam geworden. Später nahmen ihnen Ermittler DNA-Proben ab. Bei einem der Verdächtigen zeigte sich Übereinstimmung zur DNA, die Ermittler einer eigens eingerichteten Sonderkommission einem drapierten Nagelbrett entnommen hatten.
Weiterhin stießen sie im Zuge einer Hausdurchsuchung bei einem der Männer auf genau die Art eines Regalbretts, das mit Nägeln gespickt bei einem der Anschläge eingesetzt worden war. Zudem fanden sich Steine im Garten des Hauses, die den bei den Taten verwendeten ähnelten. Auf ihnen befand sich die DNA des anderen Mannes.
Bei der anschließenden Vernehmung zeigten sich die Tatverdächtigen geständig. Sie gaben an, aus Langeweile und Alltagssorgen gehandelt zu haben. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft. Die Angeklagten werden von drei Justizbeamten und in Handschellen in den Verhandlungssaal geführt, in dem fast alle Zuschauerbänke gefüllt sind.
Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Aktenmappe vors Gesicht, der andere bedient sich einer Zeitungsseite. Medienvertreter schießen Fotos und richten ihre Kameras auf die beiden sich setzenden Männer, während die Zeitung des älteren Angeklagten zu zittern beginnt. Die Verteidiger bleiben stehen und unterhalten sich, hin und wieder lächeln sie.
Schließlich unterbindet der Richter das Treiben und bittet die Fotografen und Kameraleute, den Raum zu verlassen. Die Angeklagten lassen ihre Utensilien sinken und schauen zum Richter hinüber. Bis auf ihn und ihren jeweiligen Verteidiger sehen sie während der Verhandlung niemanden an. Nicht sich gegenseitig und auch den Blick zu ihren im Publikum sitzenden Angehörigen meiden sie.
Der Staatsanwalt wirft ihnen vor, mit ihrem Handeln die Absicht verfolgt zu haben, Unglücksfälle herbeizuführen. Vor ihren Taten waren die langjährigen Freunde Zeugen geworden, wie ein Pkw mit einem Sofa kollidierte, wovon sie sich inspirieren ließen.
Spätestens nach dem zweiten Fall, der ihnen zur Last gelegt wird, seien sie sich der Tragweite ihrer Handlungen bewusst gewesen: Im September 2015 hatten sie Steinblöcke auf eine Fahrbahn gelegt, welchen die Fahrerin eines Pkws ausweichen wollte und dabei ihr Lenkrad verriss. Der Wagen schleuderte über mehrere Fahrspuren und blieb hochkant stehen.
Die Angeklagten bemerkten den Unfall und leisteten Erste Hilfe. Sie waren so geschockt, dass sie sich im Anschluss aus dem Weg gingen. Doch knapp zwei Monate später trafen sie sich wieder und setzten ihr Werk fort. Sie suchten die Auslegestellen zu Fuß oder mit dem Pkw auf, mit einem Nagelbrett beschädigen sie mindestens einen Wagen.
Einmal handelte der ältere Angeklagte allein, seine zwei ausgelegten Pflastersteine rissen den Unterboden eines Taxis auf. Knapp eine Dreiviertelstunde dauert der Prozessauftakt. Nachdem die Zuschauer und die meisten Anwesenden den Saal verlassen haben, werden die fünf Angehörigen der Angeklagten zu den beiden Männern vorgelassen.
Sie umarmen sich, geben sich Küsse auf die Wange und lächeln. Knapp zwei Minuten später holen die Justizbeamten die Handschellen wieder hervor und legen sie den jungen Männern an. Abschiedsumarmungen und ein Kniff in die Wange folgen, bevor die beiden mit hinter Aktenmappe und Zeitungsseite verborgenen Gesichtern zusammen mit ihren Aufpassern den Saal verlassen.
Der Prozess wird am Freitag, 21. September, mit der Belehrung der Angeklagten fortgesetzt. In der darauf folgenden Verhandlung wird voraussichtlich der erste Zeuge angehört. Die Vernehmung der Angeklagten erfolgt vermutlich erst ab Mitte Oktober.
++ Diese Meldung wurde um 19.30 Uhr aktualisiert. ++
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