
Heiko Maas sieht viele Probleme in Europa: ein erstarkender Nationalismus, bröckelnde Beziehungen zu den USA unter Donald Trump, die anhaltenden Folgen der Eurokrise und Ungleichheit innerhalb der Europäischen Union. Der Bundesaußenminister (SPD) hat eine souveräne EU als Antwort darauf gefordert. Dafür müssten die Mitgliedsstaaten den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der EU stärken. Ein sozial gerechteres Europa wäre für Maas auch ein Beitrag dazu, den Populisten die Stirn zu bieten. „Wir müssen den Verschwörungstheorien der Orbans und Salvinis unsere Idee eines offenen, toleranten, freien Europas deutlich, klar und laut gegenüberstellen.“
Am Montagabend sprach Maas im Kaminzimmer des Bremer Rathaus im Rahmen der Veranstaltungsreihe Außenpolitischer Salon. Eingeladen dazu hatte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gemeinsam mit dem WESER-KURIER. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) begrüßte die Gäste und zeigte sich sichtlich erfreut angesichts des großen Andrangs. So voll wie am Montag sei das Kaminzimmer lange nicht gewesen, sagte er.
Alle Stühle waren besetzt, viele Gäste mussten den Abend im Stehen verfolgen. Die Fußbodendielen knarrten und quietschten unter den vielen Schuhen. „Dieser Raum steht für Europa“, sagte Sieling. Vor gut 40 Jahren hatte der Europäische Gipfel in Bremen getagt. Im Kaminzimmer sei das Fundament dafür gelegt worden, Jahrzehnte später den Euro einzuführen – „eine entscheidende Kraft für das Zusammensein Europas“. Der erste Außenpolitische Salon in Bremen soll Sielings Wunsch nach nicht der letzte gewesen sein, sondern weiteren vorausgehen.
Zunächst bedankte Maas sich bei den Gastgebern, ihm am Rosenmontag Asyl in der Hansestadt zu gewähren. Mit der Hanse begann er auch seinen Redebeitrag. „Schon Mitte des 12. Jahrhunderts stand die Hanse für den Abbau von Schranken, für gemeinsame Investitionen in Sicherheit, für den freien Austausch von Gütern und Ideen sowie freie Wege und freien Handel“, sagte er.
Heute jedoch stünden die Zeichen der Zeit auf Abschottung in Form von Handelsbarrieren oder echten Mauern. Er führte Freizügigkeit, den Binnenmarkt und das Erasmus-Programm als europäische Errungenschaften an, die es zu verteidigen gelte. Die Kultur und der Wohlstand Deutschlands würden auf offenen Grenzen und dem freien Handel basieren. Auch als stärkste europäische Wirtschaft könne Deutschland seine Interessen nicht allein durchsetzen. Und als Exportnation solle das wirtschaftliche Wohlergehen der Nachbarn ein großes Interesse Deutschlands sein.
„Das Recht des Stärkeren geht immer häufiger gegen die Stärke des Rechts“, monierte Maas die politische Stimmung in Teilen des Kontinents. Das werde auch bei der kommenden Europawahl im Mai eine Rolle spielen. Prognosen erwarten ein starkes Abschneiden von Nationalisten und Rechtspopulisten – für Maas ein Frontalangriff auf alle zentralen europäischen Werte. „Dass neuer Nationalismus das Problem, aber niemals die Lösung ist, sollte gerade in Deutschland ganz besonders bewusst sein“, betonte er.
Mit dem Flüchtlingszuzug ab 2015 sei ein „neuer Spaltpilz“ in Europa hinzugekommen. Starke Polarisierung unterhalb und innerhalb der europäischen Staaten sei die Folge davon gewesen. Vertrauen sei verloren gegangen und habe die Handlungsfähigkeit der EU geschwächt. Für Maas eine desaströse Entwicklung: „Vertrauen ist der Kitt, der die EU zusammenhält.“ Daher habe es oberste Priorität, das Vertrauen wiederherzustellen und die Gräben innerhalb der EU zu überwinden.
Als Antwort brauche die EU Geschlossenheit nach innen und Entschlossenheit nach außen. Handlungsfähigkeit nach außen setze jedoch ein Mindestmaß an Geschlossenheit nach innen voraus. Um beides scheint es nicht gut bestellt zu sein: Die 28 Mitgliedsstaaten hatten sich etwa nicht auf eine gemeinsame Resolution zur Krise in Venezuela einigen können – Italiens Blockade ließ die anderen 27 Staaten handlungsunfähig dastehen, ohne eine gemeinsame Haltung. Daher wiederholte Maas seine Forderung, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU aufzubrechen und Mehrheitsentscheidungen einzuführen.
Handlungsbedarf sieht er auch in der europäischen Steuerpolitik. Eine Digitalsteuer etwa würde dem Rechtsempfinden vieler Bürger entsprechen. „Es kann nicht sein, dass Digitalunternehmen wie Amazon, Google und Facebook in Europa Milliardengewinne erzielen, diese aber nur im Ausland versteuern.“
Besonders nachdrücklich beklagte Maas zunehmenden Rassismus und Antisemitismus in Europa und auch in Deutschland. „Hetzerische Worte werden irgendwann zu Taten“, warnte er. 1646 judenfeindliche Straftaten habe es im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik gegeben – eine Schande für Deutschland und für Europa.
Moritz Döbler, Chefredakteur des WESER-KURIER, moderierte im Anschluss die Diskussion mit Maas, der DGAP-Direktorin Daniela Schwarzer und dem Publikum. Kurz vor 20 Uhr musste Maas dann aber los, seine Begleiter drängten bereits. Er müsse seinen Zug kriegen, sagte der Außenminister. „Der wartet nicht auf mich.“
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