
Was machen Eltern, wenn sie ein Kind bekommen und nicht klar ist, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist? Welche Fragen hat eine Erwachsene, die bisher davon ausgegangen ist, eine Frau zu sein, und die dann von einem Arzt erfährt, dass sie intersexuell ist? Je nach Schätzung sind 1,7 bis drei Prozent aller Menschen intergeschlechtlich.
Diese jungen Menschen und ihre Eltern will nun eine Beratungsstelle unterstützen, die im Netz unter dem Stichwort „Interberatung Bremen“ zu finden ist. Getragen wird das Angebot von dem Verein Trans*Recht. „Bremen ist damit ein Vorreiter – die nächste Beratungsstelle ist erst in Berlin zu finden“, sagt Beraterin Freya Pe von Rüden. Sie rechnet damit, dass sich auch Ratsuchende aus anderen Bundesländern an ihr Team wenden werden. Für Eltern intergeschlechtlicher Kinder und erwachsene Betroffene gibt es zwei verschiedene Ansprechpersonen – zu unterschiedlich seien die Probleme, heißt es bei Trans*Recht. Zudem steht eine Anwältin für rechtliche Fragen bereit.
„Es gibt oft Konflikte, wenn Personen erfahren, dass sie Inter sind, einige wollen gegen Ärzte vorgehen, die sie früher behandelt haben“, sagt von Rüden. Immer wieder sei es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Kinder, die nicht eindeutig zuzuordnen waren, operiert wurden, um ihr Geschlecht anzupassen. „Die Zahl solcher Operationen ist bundesweit nicht rückläufig“, sagt von Rüden. Geschlechtsangleichende Eingriffe bei Kindern will die Bundesregierung nun im Grundsatz verbieten. „Diese Operationen sind Menschenrechtsverletzungen an Babys“, stellt Doro Giesche-von Rüden klar, die bei Trans*Recht erwachsene Betroffene berät. Und oft bleibe es nicht bei einem Eingriff: „Viele Inter-Personen haben eine lange Krankenhausgeschichte, zum Teil müssen Erwachsene lebenslang Hormone nehmen, weil sie als Kind operiert wurden.“
Lange wurden von der Norm abweichende Geschlechtsmerkmale als Fehlbildungen betrachtet – mit teils gravierenden Folgen für die Betroffenen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die sich für die Rechte intergeschlechtlicher Menschen einsetzt, betont: „Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind intergeschlechtliche Menschen gesund. Doch nur wenige von ihnen dürfen so aufwachsen, wie sie sind.“
Das Thema sei noch immer sehr stark tabuisiert, sagt Doro Giesche-von Rüden, die selbst intergeschlechtlich ist: „Ich kenne in Bremen und Oldenburg sonst keine Inter-Person, die offen darüber spricht.“ Die Diskriminierung sei so gravierend, dass 99 Prozent der Betroffenen nicht bekannt seien. Sie erzählt, dass sie selbst erst vor fünf Jahren erfuhr, dass sie intersexuell ist. Das sei nicht ungewöhnlich, sagt sie: „Viele erfahren das erst als Erwachsene.“
Die Formen geschlechtlicher Varianten sind vielfältig, sagt das Team von Trans*Recht. Bei manchen vermeintlichen Mädchen setzt in der Pubertät der Bartwuchs ein statt der Menstruation. Andere haben einen weiblich anmutenden Körper mit Vagina, im Inneren des Bauchraums befinden sich aber Hoden. Nicht immer sei eine Variation sichtbar, sagt Freya Pe von Rüden: „Oft fällt es erst beim Kinderwunsch auf, dass eine Person, die sich als Frau betrachtet, eigentlich intersexuell ist.“ Zu erfahren, dass man intersexuell ist, sei oft eine große Verunsicherung: „Viele haben das Gefühl, ihnen wird der Boden unter den Füßen weg gezogen.“ Das Team betont: „Wir beraten komplett anonym.“ Eigene Räume am Wall in der Innenstadt hat Trans*Recht seit Oktober. Schon länger bietet der Verein eine Trans-Beratung an, die sich zum Beispiel an Jugendliche richtet, die als Mädchen aufgewachsen sind, sich aber als Junge fühlen. Neu ist die Inter-Beratung seit Ende 2020. Bei Transsexualität geht es um geschlechtliche Identität, bei Intersexualität um körperliche Varianten des Geschlechts.
Zuvor nutzte Trans*Recht Räume im Rat-und-Tat-Zentrum für queeres Leben im Viertel. Doch dort wurde der Platz eng, sagt Freya Pe von Rüden: Sowohl bei der Trans-Beratung als auch beim Rat-und-Tat-Zentrum sei die Nachfrage gestiegen. Zuletzt verzeichnete der Verein nach eigenen Angaben etwa 30 Beratungen im Monat, hinzu kämen Telefonate und Email-Anfragen.
Seit Ende 2018 ist in Deutschland im Personenstandsregister nicht nur der Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ möglich, sondern auch „divers“. Diese Option für intersexuelle Menschen hatte zuvor das Bundesverfassungsgericht eingefordert. Sichtbar wird die offizielle Anerkennung, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, bislang vor allem bei Stellenanzeigen, die seit 2019 den Hinweis „w/m/d“ (weiblich, männlich, divers) enthalten sollten – und bei manchen Toiletten-Schildern, die deutlich machen, dass dieses WC für alle Geschlechter nutzbar ist.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.
meine volle Zustimmung, ganz genau so sehe ich es auch!